Blutgesicht
er sich schon zu einer Verwünschung hinreißen ließ, mußte es ihn wirklich hart getroffen haben.
»Seht ihr denn was?« rief Julia.
Ich gab ihr keine Antwort und drehte mich langsam um. Mein erster Blick fiel in das zu einem Grinsen verzogene Gesicht des Nathan Lassalle. Ich sah auch das böse Leuchten in seinen Augen, denn er konnte den Triumph einfach nicht verbergen.
»Was ist das?« fragte ich ihn mit leiser Stimme.
»Das Bild, das du gesucht hast.«
»Nicht das.«
»Aber ihr wolltet hierher.« Seine Stimme klang einfach widerlich, als wollte er uns mit jedem Wort noch zusätzlich auslachen.
Ich blieb ruhig, auch wenn es mir schwerfiel, denn die Sorge um Jane Collins bedrückte mich. »Seit wann hängt ein Künstler eine Stück leere Leinwand auf?«
»Weil es mir Spaß macht.«
»Das glaube ich nicht, denn es gibt eine Zeugin, die etwas anderes gesehen hat, als sie diese Tür hier öffnete. Da war die Leinwand nicht leer. Da hat sie ein Porträt des Malers gesehen. Es war Ihr Selbstbildnis, Lassalle.«
»Dann war die Zeugin blind.« Er reckte sein Kinn vor. »Was wollt ihr noch von mir? Ist es ein Verbrechen, ein in einem Rahmen gespanntes Stück Leinwand aufzuhängen?«
»Nein, das ist es nicht.«
»Es wird aber zu einem Verbrechen, wenn dazu eine Person verschwindet, nach der wir suchen.« Ich wurde den Gedanken an Jane Collins einfach nicht los. Zudem brachte ich ihr Verschwinden und dieses leere Bild in einen Zusammenhang.
»Sie war nicht hier.« Er amüsierte sich. Sein gefesselten Hände hob er an. Mit den Handrücken knetete er das Ende seiner breiten Nase.
»Das glauben wir nicht. Sie war ebenso hier, wie es das Blutgesicht gegeben hat.«
»Unsinn.«
»Und ich werde den Beweis finden.«
»Wie denn?«
Ich lächelte ihn so an, daß er Furcht bekommen mußte, weil mein Lächeln so wissend ausfiel. »Hast du nicht vorhin davon gesprochen, daß der Teufel auf deiner Seite steht? Daß du angeblich einer seiner Lieblinge bist?«
Sofort kam Leben in seine Augen, als ich dieses Thema angesprochen hatte. »Nicht nur angeblich. Der Teufel hat mich stark gemacht. Er gab mir die Kraft, so zu malen, wie ich es mir vorgestellt habe.«
»Dann liebst du ihn?«
»Wie einen Bruder!«
»Sehr schön, Lassalle. Aber wir hassen den Teufel. Wir mögen ihn nicht, verstehst du?«
»Viele Menschen denken so dumm.«
Ich blieb sehr ruhig. »Ob es dumm ist, weiß ich nicht. Das möchte ich noch beweisen, und zwar jetzt.«
Nathan Lassalle verlor etwas von seiner Ruhe. »Beweisen? Wieso beweisen…?«
»Du wirst es sehen.«
»Wann?«
»Sofort, Lassalle, schau genau hin. Laß mich nicht aus den Augen. Was jetzt folgt, ist wichtig.« Während des Sprechens hatte ich meinen rechten Arm bewegt. Die Jacke stand sowieso offen, sie hinderte mich nicht bei meiner Aktion, die für mich reine Routine war. Es kam immer darauf an, wie schnell ich das Kreuz hervorholte, und hier tat ich es sehr langsam, mit einem gewissen Genuß.
Ich hatte den Maler verunsichert. Er wurde noch immer von Suko festgehalten und versuchte sogar, sich zurückzudrücken, aber das ließ Suko nicht zu. Er hob ein Bein an und stemmte sein Knie in den Rücken der Gestalt.
»Nur immer ruhig bleiben, Meister des Pinsels.«
Lassalle sagte nichts. Er war zu geschockt, denn ich hatte plötzlich und für ihn unerwartet mein Kreuz unter der Kleidung hervorgezogen, damit es jetzt offen vor meiner Brust hing.
Nathan Lassalle starrte es an. Kurz nur. Dann gab er uns den Beweis, daß er tatsächlich ein Diener des Teufels war oder was auch immer. Jedenfalls stand er auf der anderen Seite. Sein Gesicht veränderte sich. Es wurde zu einer Maske der Angst und des Schreckens. Er riß seinen Mund weit auf. Das untere Drittel des Gesichts bestand nur aus einem Loch, in dem die dicke Zunge des Malers tanzte wie ein zuckendes Stück Fleisch.
Ich redete nicht mehr. Der Maler wand sich in Sukos Griff. Er riß sogar seine gefesselten Hände in die Höhe und hielt sie schützend vor sein Gesicht.
Sehr gelassen streifte ich die schmale Kette über meinen Kopf. Ich hatte jetzt Zeit, ich wollte diesen Lassalle kleinkriegen, ihn zum Sprechen zwingen, und ich wollte herausfinden, was es tatsächlich mit dem verdammten Blutgesicht auf sich hatte.
Er schüttelte den Kopf h in und her. Die Nähe des Kreuzes mußte ihm Schmerzen bereiten. Bei seinen heftigen Bewegungen gab er Geräusche von sich, die mehr an Tierlaute erinnerten. Ein Knurren und ein heiser klingendes
Weitere Kostenlose Bücher