Blutgesicht
reagieren eben übernervös. Haben Sie ein sauberes Taschentuch?«
»Ja.«
»Geben Sie es her. Ich werde es um Ihre Wade binden. Das müßte von der Größe her passen.«
Es paßte tatsächlich, denn der größte Teil der Wunde wurde abgedeckt. Julia hatte sich hingesetzt. Das rechte Bein hielt sie ausgestreckt. »Und wie geht es jetzt weiter?« fragte sie und schaute zu mir hoch.
»Für Sie erst einmal nicht. Sie bleiben hier sitzen. Es hat keinen Sinn, wenn Sie gehen wollen. Jeder Tritt würde Ihnen nur Schmerzen bereiten.«
»Was ist mit Lassalle?«
»Um den kümmern wir uns.«
»Der wollte mich umbringen, Mr. Sinclair.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich… ich… kann es noch immer nicht fassen. Der hat tatsachlich auf mich geschossen!« Jetzt, wo der Schock vorbei war, kam ihr zum erstenmal zu Bewußtsein, was da mit ihr geschehen war. Sie konnte die Tranen nicht unterdrücken.
Ich fand es gut, daß sie weinte. So etwas verschallte ihr auch Erleichterung. Sie wollte, daß ich ihr meine I [and gab, was ich auch tat. Julia war für uns wichtig geworden, denn sie kannte sich hier aus. Sie wußte auch, wo wir die versteckte Tür finden konnten. Im Moment wollte ich sie mit diesen Fragen nicht belästigen. Da war der Maler Nathan Lassalle wichtiger.
Suko hatte einen Lichtschalter gefunden und ihn gekippt. Fs wurde hell. Otier heller. Aber das Licht strömte nicht aus Deckenlampen, sondern aus breiten Leuchten, die über den Bildern hingen. Fs war wichtig, ihre Motive hervorzuholen.
Zwar hatte ich nicht viel Zeit, doch die erste Chance ließ ich mir nicht entgehen. Ich schaute mir sehr rasch einige der Werke an und wußte, daß sie mein Geschmack nicht waren, auch wenn man sie als perfekt bezeichnen konnte.
Die düsteren Farben gefielen mir nicht. Ich hatte schon genug mit düsteren Welten und Feinden zu tun. Da mußte ich mir so etwas nicht noch in die Wohnung hängen.
Auch Suko hatte sich umgeschaut. Dabei war er nie weit weg von Lassalle gegangen, der noch immer an der gleichen Stelle hockte und ziemlich weggetreten wirkte. Er war noch nicht voll da und stierte vor sich hin. Daß Handfesseln seine Gelenke hielten, schien er nicht bemerkt zu haben.
»Wie geht es Julia?« erkundigte sich Suko.
»Sie hat Glück gehabt. Nur ein Streifschuß an der rechten Wade. Neugierde kann eben manchmal gefährlich sein.«
»Was ist mit Lassalle?«
»Der schwebt noch woanders. Ich habe ihn untersucht. Er hat nur die Beretta als Waffe gehabt.«
»Die Jane gehört.«
»Sicher.«
»Dann wird er uns einige Fragen beantworten müssen«, sagte ich.
»Soll ich das übernehmen?«
»Wenn du willst.«
Suko war sauer auf den Maler. Er zerrte ihn hoch. Lassalle wirkte dabei wie eine Gliederpuppe, was auch an seinen gefesselten Händen lag. Wie ein St tick Stoff hing er in Sukos Griff, und mein Freund preßte Lassalle mit dem Kücken gegen die Wand.
»Du wirst jetzt dein Maul aufmachen und meine Fragen beantworten. Wo finden wir Jane Collins?«
Lassalle hob den Kopf an. Jetzt, wo das Licht brannte, konnten wir ihn deutlicher sehen. Sein Blick sah aus wie der eines Betrunkenen. Er stierte vor sich hin und gab keine Antwort. Suko wiederholte seine Frage.
Lassalle hatte ihn verstanden. Seine breiten Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Ich habe euch doch gesagt, daß sie nicht hier ist, verdammt.«
»Was hast du mit ihr gemacht?«
»Nichts.«
Suko drehte den Kopf nach rechts, weil er meine Schritte gehört hatte. »Was sollen wir mit ihm machen? Hast er eine Chance verdient?«
»Wohl kaum«, sagte ich und stellte meine Frage. »Wo finden wir das verdammte Blutgesicht?«
»Welches Gesicht?«
»Das weißt du sehr genau, Lassalle!«
»Es gibt kein Blutgesicht!« sagte er und kicherte dabei.
»Aber du hast dich selbst gemalt, nicht wahr?«
»Kann schon sein.«
»Wunderbar. Und wo finden wir das Bild?«
»Es ist nicht hier.«
»Lüge! Der Hundesohn lügt, dieser verdammte Mistkerl!« Julia Masons Stimme klang schrill. »Ich weiß genau, daß es dieses Bild gibt. Ich habe es selbst gesehen. Fragt ihn doch nach der Geheimtür. Wenn er nicht reden will, dann kann ich sie euch auch zeigen. Das werde ich schon schaffen.«
Ich wandte mich wieder an Lassalle. »Sie haben alles gehört, nehme ich an. Wir finden die Tür auch ohne Ihre Hilfe. Aber Sie werden dabei sein, das verspreche ich.«
Er stierte mich an. Wir waren uns sehr nah. Zum erstenmal schaute ich in seine Augen. Mein Blick wurde erwidert. Und ich las in den
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