Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
ein Typ aus New York hat mich gestern angerufen. Vor zwei Jahren ist seine Tochter hier verschwunden. Mein Interesse ist geweckt worden, als ich erfuhr, dass sie auch auf eine Schauspielschule ging.«
»Das PlayHouse?«
»Der Vater hat keine Ahnung. Es scheint eine Menge zu geben, was er nicht weiß. Für diese junge Frau - Tori Giacomo - ist eine Vermisstenakte angelegt worden, aber es sieht nicht so aus, als hätte sich jemand darum gekümmert. Das ist nicht überraschend, wenn man ihr Alter bedenkt und dass nichts auf ein Verbrechen hindeutete. Der Typ bestand darauf hierherzufliegen, also kann ich wohl ein bisschen Zeit für ihn erübrigen. Wir sind für 15 Uhr verabredet, ich hoffe, er mag indische Küche. Falls du Zeit hast - ich könnte ein bisschen zusätzliche Intuition gebrauchen.«
»In welcher Hinsicht?«
»Um seine Tochter auszuschließen. Hör ihn dir an, aber sag mir nicht, was ich hören will.«
»Tu ich das je?«
»Nein«, sagte er, »und deswegen bist du mein Kumpel.«
Rosafarbene Madras-Vorhänge trennen den Innenraum des Café Moghul von Licht und Verkehr des Santa Monica Boulevard. Die dunkle Vorderseite ist vom Revier aus schnell zu Fuß zu erreichen, und wenn Milo sein kleines Büro zu eng wird, nutzt er das Lokal als alternativen Arbeitsplatz.
Die Eigentümer sind überzeugt, die Anwesenheit eines großen, bedrohlich aussehenden Detective habe denselben Effekt wie ein gut dressierter Rottweiler. Dann und wann ist Milo ihnen gefällig, indem er sich der obdachlosen Schizophrenen annimmt, die anspaziert kommen und versuchen, von dem Mittagsbüfett zu probieren.
Das Büfett ist erst kürzlich eingeführt worden. Ich bin ziemlich sicher, dass man es für Milo eingerichtet hat.
Als ich um drei Uhr dort eintraf, saß er hinter drei Tellern, auf denen sich Gemüse, Reis, Hummercurry und Tandoori-Fleisch türmten. Ein Korb mit Zwiebel-Naan war halb voll. Ein Krug Tee mit Nelkengeschmack stand neben seinem rechten Ellbogen. Eine Serviette um den Hals gebunden. Nur ein paar Soßenflecken.
Die Zeit zum Mittagessen war vorüber, und er war der einzige Gast. Die lächelnde bebrillte Frau, die das Lokal führt, sagte: »Er ist hier, Sir«, und führte mich zu seinem üblichen Tisch im hinteren Bereich.
Er kaute und schluckte. »Probier mal das Lamm.«
»Ein bisschen früh für mich.«
»Chai-Tee?«, fragte die bebrillte Frau.
Ich zeigte auf den Krug. »Nur ein Glas.«
»Sehr gut.«
Beim letzten Mal, als ich sie sah, hatte sie Kontaktlinsen ausprobiert.
»Ich hab allergisch auf die Reinigungsflüssigkeit reagiert. Mein Neffe ist Ophthalmologe, er sagt, LASIK ist sicher.«
Milo versuchte sein Zusammenzucken zu verbergen, aber es entging mir nicht. Er lebt mit einem Chirurgen zusammen, aber bei dem Gedanken an einen Arztbesuch wird er blass.
»Viel Glück«, sagte ich.
Die Frau sagte: »Ich bin mir noch nicht sicher«, und ging, um mein Glas zu holen.
Milo wischte sich den Mund ab und zog eine blaue Mappe aus seinem Aktenkoffer. »Eine Kopie von Tori Giacomos Vermisstenakte. Lies sie, wenn du willst, aber ich kann sie in einer Minute zusammenfassen.«
»Nur zu.«
»Sie wohnte in North Hollywood, allein in einem Einzimmerapartment, und gearbeitet hat sie als Kellnerin in einem Fischrestaurant in Burbank. Ihren Eltern hat sie erzählt, sie würde bald ein Star sein, aber niemand weiß von irgendwelchen Rollen, die sie bekommen hat, und sie hatte keinen Agenten. Als sie verschwand, lagerte ihr Vermieter ihren Plunder dreißig Tage ein, dann warf er ihn weg. Als die Kollegen von der Vermisstenstelle dazukamen nachzusehen, war nichts mehr da.«
»Wurden die Eltern nicht benachrichtigt, als sie verschwand?«
»Sie war siebenundzwanzig und hatte die Nummer ihrer Eltern nicht auf ihrem Mietantrag notiert.«
»Wen hat sie als Referenz angegeben?«
»Steht nicht in der Akte. Die Sache ist immerhin zwei Jahre her.« Er schaute auf seine Timex. »Ihr Vater hat vor einer Stunde vom Flughafen aus angerufen. Falls es keine Katastrophe auf dem Freeway gegeben hat, müsste er schon hier sein.«
Er warf einen kurzen Blick auf Nummern, die er auf den Umschlag der Mappe gekritzelt hatte, und tippte auf seinem Handy herum. »Mr. Giacomo? Lieutenant Sturgis. Ich warte auf Sie … wo? Wie heißt die Querstraße? Nein, Sir, das ist der Little Santa Monica, das ist eine kurze Straße, die in Beverly Hills beginnt, wo Sie jetzt gerade sind … drei Meilen östlich von hier … ja, es gibt zwei
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