Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
sprach, das sie vor ihrer Brust wiegte.
Sie trat auf die Veranda hinaus, sah uns und setzte das Objekt ihrer Zuneigung auf den Boden. Schaute uns noch ein bisschen an und ging auf den Bürgersteig zu.
Die Körpermaße entsprachen den Angaben der Zulassungsstelle für Nora Dowd, aber ihr Haar war ein blaugrauer Pagenkopf, der Schnitt hinten am Nacken ziemlich hoch. Sie trug einen übergroßen, pflaumenblauen Pullover über grauen Leggings und strahlend weißen Laufschuhen.
Sie ging mit federndem Schritt, stolperte aber ein paarmal.
Sie machte einen weiten Bogen um uns und ging in südlicher Richtung weiter.
Milo sagte: »Ms. Dowd?«
Sie blieb stehen. »Ja?« Eine einzige Silbe rechtfertigte nicht die Diagnose »sinnlich«, aber ihre Stimme war tief und kehlig.
Milo zog eine weitere Karte hervor. Nora Dowd las sie und gab sie zurück. »Geht es um die arme Michaela?«
»Ja, Ma’am.«
Unter dem glänzenden grauen Haar war Nora Dowds Gesicht rund und rosig. Ihre Augen waren groß und wirkten leicht unkoordiniert. Blutunterlaufen; nicht die Rosafärbung von Lou Giacomos Augäpfeln, die hier waren beinahe scharlachrot an den Rändern. Elfenhafte Ohren ragten zwischen feinen grauen Strähnen hindurch. Ihre Nase war ein kesser Knopf.
Eine Frau mittleren Alters, die versucht, sich ein bisschen von einem kleinen Mädchen zu bewahren. Sie schien deutlich älter als sechsunddreißig zu sein. Als sie den Kopf abwandte, fiel ein wenig Licht auf ihr Gesicht, und eine Korona pfirsichfarbenen Flaums machte ihr Kinn weicher. Falten zerrten an ihren Augen, und Fältchen zogen beide Lippen zusammen. Die Ringe um ihren Hals waren eindeutig. Das Alter auf ihrem Führerschein war ein Hirngespinst. Standardverfahren in einer Firmenstadt, in der das Produkt falsche Versprechungen waren.
Das weiße Ding lag still da, zu still für jede Art von Hund, die ich kannte. Vielleicht eine Pelzmütze? Warum hatte sie dann mit ihm gesprochen?
Milo fragte: »Können wir mit Ihnen über Michaela reden, Ma’am?«
Nora Dowd blinzelte. »Sie klingen ein bisschen wie Joe Friday. Aber er war ein Sergeant, Sie stehen rangmäßig über ihm.« Sie schob eine Hüfte vor. »Ich bin Jack Webb einmal begegnet. Selbst wenn er nicht arbeitete, trug er gern diese dünnen schwarzen Krawatten.«
»Jack war ein toller Bursche, er hat dazu beigetragen, die Police Academy zu finanzieren. Was Michaela betrifft -«
»Gehen wir doch ein Stück. Ich brauche mein Training.«
Sie marschierte los und ließ ihre Arme schwingen. »Michaela war ganz okay, wenn man ihr genug Struktur gab. Ihre Impro-Fähigkeiten ließen zu wünschen übrig. Sie war frustriert, dauernd frustriert.«
»Weswegen?«
»Weil sie kein Star war.«
»Hatte sie Talent?«
Nora Dowds Lächeln war schwer zu deuten.
»Die eine große Impro, die sie versuchte«, sagte Milo, »ist nicht so gut angekommen.«
»Wie bitte?«
»Die angebliche Entführung, die sie und Meserve inszeniert haben.«
»Ja, die Geschichte.« Ausdruckslos.
»Was haben Sie davon gehalten, Ms. Dowd?«
Dowd ging schneller. Dem Sonnenlicht ausgesetzt zu sein hatte ihre blutunterlaufenen Augen irritiert, und sie musste mehrfach blinzeln. Sie schien einen Moment das Gleichgewicht zu verlieren, fing sich aber wieder.
Milo sagte: »Die angebliche Entführung -«
»Was ich davon halte? Ich halte sie für einen schludrigen Versuch.«
»Inwiefern?«
»Schlecht strukturiert. Vom Standpunkt des Theaters aus gesehen.«
»Ich weiß immer noch nicht -«
»Mangel an Einbildungskraft«, sagte sie. »Das Ziel einer jeden wahren Darstellung ist Offenheit. Sich selbst zu offenbaren. Was Michaela gemacht hat, war eine Beleidigung für unseren Berufsstand.«
»Michaela und Dylan.«
Nora Dowd beschleunigte erneut ihre Schritte. Einen Moment später nickte sie.
Ich sagte: »Michaela dachte, Sie würden die Kreativität würdigen.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Ein Psychologe, mit dem sie geredet hat.«
»Michaela hat eine Therapie gemacht?«
»Überrascht Sie das?«
»Ich unterstütze keine Therapie«, sagte Dowd. »Sie schließt so viele Kanäle, wie sie öffnet.«
»Der Psychologe untersuchte sie im Zusammenhang mit ihrem Prozess.«
»Wie albern.«
»Was ist mit Meserve?«, fragte Milo. »Hat er Sie nicht enttäuscht?«
»Niemand hat mich enttäuscht. Michaela hat sich selber enttäuscht. Ja, Dylan hätte es besser wissen müssen, aber er wurde mitgerissen. Und er kommt aus einer anderen Richtung.«
»In welcher
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