Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
die Urne abholt, wird die Asche in einem Massengrab im Evergreen Memorial Cemetery in Boyle Heights verstreut - das ist in East L.A., in der Nähe der Gerichtsmedizin. Die Gräber sind mit Zahlen markiert. Die Asche wird gruppenweise verstreut, eine individuelle Identifizierung ist nicht möglich. Nicht alle Leichen, die nicht abgeholt wurden, werden in der großen Leichenhalle aufbewahrt. Manche sind draußen in Sylmar, einer Vorstadt im Norden von L.A., und andere sind noch weiter draußen in Lancaster, einer Stadt im Antelope Valley - die Hochwüste, vielleicht siebzig Meilen im Osten.« Er rasselte die Fakten in der leisen, emotionslosen Art eines widerwilligen Büßers herunter.
Giacomo nahm sie hin, ohne zusammenzuzucken. Schien fast Gefallen an den Details zu finden. Ich dachte an die billigen Plastikurnen, die das County verwendete. An die Bündel, die in einer ganzen Reihe von Räumen des Kühlhauses im Souterrain an der Mission Road aufbewahrt wurden, mit einem festen weißen Seil zusammengebunden. Die unvermeidliche Fäulnis, die einsetzt, weil Kühlung die Verwesung verlangsamt, aber nicht verhindert.
Während meines ersten Besuchs in der Leichenhalle hatte ich mir das nicht klargemacht und Milo gegenüber angesichts der grünlichen Flecken an einer Leiche, die auf einer Bahre in einem Flur lag, meiner Verwunderung Ausdruck verliehen.
Ein Mann mittleren Alters, als unbekannte Leiche kenntlich gemacht, die auf den Transport zum Krematorium wartete. Auf seinen verfallenden Körper gelegte Papiere führten die spärlichen Details auf, die bekannt waren.
Milos Antwort war schrecklich einfach gewesen: »Was passiert mit einem Steak, wenn du es zu lange im Kühlschrank liegen lässt, Alex?«
Zu Lou Giacomo sagte er jetzt: »Es tut mir wirklich leid, in welcher Lage Sie sich befinden, Sir. Falls es noch irgendetwas gibt, das Sie uns über Tori sagen wollen, würde ich es gern hören.«
»Was zum Beispiel?«
»Alles, was dazu beitragen könnte, sie zu finden.«
»Das Restaurant, in dem sie gearbeitet hat - ihre Mutter meint, es hätte etwas mit ›Lobster‹ im Namen gehabt.«
»The Lobster Pot«, sagte Milo. »Am Riverside Drive in Burbank. Es hat vor achtzehn Monaten zugemacht.«
»Sie haben es überprüft«, sagte Giacomo überrascht. »Sie suchen nach Tori, weil Sie tatsächlich glauben, dass es etwas mit dem anderen Mädchen zu tun hat.«
»Ich ziehe alle Möglichkeiten in Betracht, Sir.«
Giacomo starrte ihn an. »Gibt es etwas, das Sie mir vorenthalten?«
»Nein, Sir. Wann fliegen Sie wieder nach Hause?«
»Wer weiß das schon?«
»Wo werden Sie übernachten?«
»Dieselbe Antwort«, erwiderte Giacomo. »Ich werde etwas finden.«
»Es gibt ein Holiday Inn auf dem Pico hinter der Sepulveda«, sagte Milo. »Nicht weit von hier.«
»Warum sollte ich hier in der Nähe bleiben wollen?«, fragte Giacomo.
»Dafür gibt es keinen Grund.«
»Was ist, wollen Sie mich im Auge behalten?«
»Nein, Sir. Ich hab genug zu tun.« Milo gab mir ein Zeichen, und wir gingen zur Tür.
Die bebrillte Frau fragte: »Hat alles gut geschmeckt, Lieutenant?«
»Großartig«, sagte Milo.
»Ja«, sagte Lou Giacomo, »alles ist phantastisch.«
13
Giacomos gemieteter Escort war in einer Ladezone zehn Meter vom Café Moghul entfernt geparkt, der vorhersehbare Strafzettel von einem Scheibenwischer festgehalten. Milo und ich beobachteten, wie er die gebührenpflichtige Verwarnung herauszog und zu Konfetti zerriss.
Er warf Milo einen trotzigen Blick zu. Milo gab vor, ihn nicht gesehen zu haben.
Giacomo bückte sich, hob die Fetzen auf und steckte sie in die Tasche. Er ließ seine Schultern kreisen, stieg in den Escort und fuhr los.
Milo sagte: »Jedes Mal, wenn ich in eine dieser Situationen gerate, sage ich mir, dass ich einfühlsam sein muss. Irgendwie geht es immer in die Hose.«
»Du hast deine Sache gut gemacht.«
Er lachte.
Ich sagte: »Angesichts seiner ganzen Frustration und seines Kummers konnte es gar nicht anders ablaufen.«
»Das ist genau das, was du sagen solltest.«
»Zumindest etwas im Leben, worauf du dich verlassen kannst.«
Wir gingen auf dem Santa Monica nach Osten, kamen an einem Asien-Shop vorbei, wo Milo stehen blieb und so tat, als wäre er von Bambus fasziniert.
Als wir weitergingen, fragte ich: »Glaubst du, Giacomo hat recht damit, dass seine Tochter tot ist?«
»Das ist eindeutig eine Möglichkeit, aber vielleicht hat ihre Mutter recht, und sie feiert auf Capri oder in Dubai
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