Blutgold
karnevalesk. Auf einer Lichtung spielten ein paar Kinder
Fußball, die eigentlich in der Schule hätten sein sollen; Bäume dienten ihnen
als Torpfosten. Ein junges Mädchen pflückte dort, wo die Sonne durchs
Blätterdach bis zum Waldboden gedrungen war, Blumen.
Aus einem der Campingbusse schallte Rockmusik, und einige der Bewohner
saßen im Sonnenschein draußen vor den offenen Hecktüren, drehten sich
Zigaretten und tranken Bier aus Dosen. Mir fiel auf, dass manche ihre
Selbstgedrehten hastig verschwinden ließen, als sie mich aus dem Auto steigen
sahen. Ein Mann, der mit einem Mischlingshund spielte, sah hoch, musterte mich
kurz, als würde er mich wiedererkennen, wandte sich dann jedoch ab und rang
weiter mit dem Hund um den Stock, den dieser im Maul klemmen hatte. Soweit ich
sah, wusch hier niemand Gold.
Ich nickte den Leuten zu und ging dann hinunter zum Fluss, wo eine ganz
andere Atmosphäre herrschte. Ich zählte dreiundzwanzig gebeugte Rücken, deren
Besitzer den Kies durchsuchten, den sie in ihre jeweiligen Siebe oder
Durchschläge geschöpft hatten.
Dann entdeckte ich Patsy McCann, der dicht am anderen Ufer stand. Durch
die anhaltende Trockenperiode lag in diesem Abschnitt ein Teil des Flussbetts
frei. Nach einem ergiebigen Regen würde das wieder ganz anders aussehen, doch
im Moment konnte ich beinahe trockenen Fußes zu Patsy hinübergelangen, indem
ich achtsam von Stein zu Stein hüpfte.
Verärgert warf Patsy sein Sieb ans Ufer und ließ sich daneben zu Boden
fallen. Er streckte sich im Gras aus, schirmte die Augen mit der Hand ab und sah
zu mir hoch.
»Schon Glück gehabt?«, fragte ich.
»Ach, geschissen«, stieß er aus. »Ich wäre besser dran, wenn ich wieder
Bier zapfen würde.«
»Hat denn irgendjemand was gefunden?«, fragte ich, ein wenig überrascht
darüber, dass McCann seine Arbeit aufgegeben hatte, um Flussschlamm zu sieben.
»Niemand, abgesehen vom guten Coyle.« Er nickte in Richtung des
stämmigen mittelalten Mannes, der mit bis zu den Knien hochgekrempelten
Hosenbeinen und einer Goldwaschpfanne in der Hand ein Stück flussaufwärts
stand.
Mir fiel auf, dass diverse Leute am Fluss ihn ebenfalls beobachteten
und ihm mit etwas Abstand folgten, wenn er die Stelle wechselte, als besäße er
besondere Kenntnisse über das Flussbett und dessen Geheimnisse. Falls er sich
ihrer Blicke bewusst war, ließ er es sich nicht anmerken.
Plötzlich hallte der Ruf eines Kindes den Fluss entlang. Mehrere
Goldsucher sahen rasch in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war, die
Mienen gleichermaßen erwartungsvoll wie neidisch, als sie etwas Glitzerndes in
den nassen Händen des Kindes erspähten. Ebenso rasch wandten sie den Blick
wieder sichtlich erleichtert ab, als sie erkannten, dass der Junge kein Gold,
sondern einen toten Fisch brachte. Er trug den gekrümmten Leib des Fisches auf
beiden Händen, als wollte er ihn präsentieren. Nur Coyle ging zu ihm und sah
sich den Fisch an wie ein Stammesältester. Er stupste ihn mit dem Finger an,
dann wandte er sich wieder um und watete flussaufwärts. Ein, zwei andere, die
ihn beobachtet hatten, nahmen ihre Sachen und gingen ihm nach, bis er sich
umwandte und sie böse ansah, als wollte er sie warnen, sie sollten Abstand
halten.
»Der Fisch da ist vermutlich das Wertvollste, was gefunden wurde, seit
wir hier sind«, sagte McCann, und ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder ihm
zu. »Ich denke, ich gebe mir noch eine Woche. Dann packe ich zusammen.«
Ich wünschte ihm viel Glück und machte mich auf den Weg zu Orcas und
einem Besuch bei dem offenbar einzigen Menschen, der von Irlands Goldrausch
wirklich profitierte.
Weston
schlug vor, zur Fundstelle zu gehen, wo eine Gruppe vom Museum die Leiche aus
der Grube holte, um sie nach Dublin zu transportieren. Er trug seine Anzugjacke
über dem Arm und hatte die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. In
den Gläsern seiner Sonnenbrille sah ich mich zweifach gespiegelt. Wir sprachen
über die Entdeckung der Moorleiche, die nach Westons Ansicht nur gut fürs
Geschäft sein konnte.
»Wir
unterbrechen die Förderung gern für ein paar Tage, um den Mitarbeitern des
Museums Zeit zu geben, den Fund zu bearbeiten. Wir trampeln nicht auf unserem
Kulturerbe herum, im Gegenteil, wir helfen, es zu bewahren«, sagte er in einem
Ton, der mich an einen vorgefertigten Werbespruch denken ließ.
Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Weston sich große
Mühe gab, mich für sich einzunehmen –
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