Blutgold
weil unser neuer Superintendent Patterson mich nur zu gerne
ein wenig isoliert sah.
»Sie müssen irgendeine Kontaktperson haben. Wie zahlen sie ihre
Schulden zurück?«
»Irgendein Typ kommt am ersten Freitag im Monat vorbei und kassiert das
Geld ein.«
»Das ist der kommende Freitag«, folgerte Debbie. »Warum rufst du nicht
Jim Hendry an? Vielleicht kann er etwas tun.«
Das hatte ich bereits in Betracht gezogen, aber damit würde ich Jim in
eine unangenehme Lage bringen. Und ich war nicht sicher, wie viel ich unserer
Freundschaft zumuten konnte.
Das erklärte ich Debbie. »Ich stecke fest. Ich möchte gern das Richtige
für diese Frau tun, verstehst du? Ich will nicht, dass sie vom Regen in die
Traufe kommt, wenn ich ihr helfe. Besonders nach dem, was ihrem Mann passiert
ist. Ich muss sicher sein, dass ich das Richtige tue.«
Debbie spürte, dass ich keine Ruhe geben würde, bis sie mir eine
befriedigende Antwort gegeben hatte, und so legte sie schließlich das Kissen
beiseite, schaltete den Ton ab und wandte sich mir zu.
»Wenn das so ist, dann sprich mit Patterson darüber. Du bearbeitest
diesen Todesfall doch sowieso – so würdest du wenigstens zeigen, dass du
herausgefunden hast, wer der Tote war«, sagte sie, hob die Augenbrauen und
richtete schon wieder die Fernbedienung auf den Fernseher.
4
Dienstag, 3. Oktober
Am
nächsten Morgen war ich der Erste auf der Wache und setzte in der Teeküche
Kaffee auf. Dann holte ich meine Post und ging mit einem Becher Kaffee für eine
Zigarette hinters Haus. Mitten im Poststapel fand ich eine Karte von Caroline
Williams, in Sligo abgeschickt. Sie schrieb, es gehe ihr gut, doch ihr Sohn
Peter mache gerade eine schwierige Phase durch. Sie hoffe, wir seien alle
wohlauf. Sie vermisse uns. Offensichtlich nicht genug, um zurückzukommen,
dachte ich.
Als
Patterson eintraf, ging ich in sein Büro und berichtete ihm, was ich
unternommen hatte, um Ruslan Almurzayev zu finden, und in welch heikler Lage
seine Witwe sich befand.
»Also wissen wir, wer der Bankräuber war«, sagte Patterson.
Ich nickte.
»Gute Arbeit, Devlin«, sagte er. »Der Rest ist nicht unsere Sache.«
»Aber diese Menschen sind …«, setzte ich an, doch er hob die Hand und
brachte mich zum Schweigen.
»Diese Menschen haben sich entschieden, im Norden zu leben. So, und
auch wenn ich ihre Situation bedauere, sie fällt nicht in unsere Zuständigkeit.
Wir haben unseren Teil getan. Rufen Sie Ihren Freund im Norden an, Hendrix oder
wie der heißt, und sagen Sie es dem.«
»Sie werden sie ausweisen«, sagte ich, um einen gelassenen Ton bemüht.
»Hören Sie«, zischte Patterson. »Mag sein, dass Costello Nachsicht mit
Ihren Gepflogenheiten hatte, aber ich nicht. Wir haben Cathal Hagan, der in
einer Woche eintrifft, und dafür sind Sie zuständig. Jetzt tun Sie endlich die
Arbeit, für die Sie bezahlt werden, und hören Sie auf, Fällen nachzujagen, für
die sie nicht zuständig sind.«
»Er ist hier bei uns gestorben«, sagte ich.
»Vergangenheitsform: ist gestorben«, wiederholte Patterson. »Tot und
begraben. Fall abgeschlossen. Geben Sie endlich Ruhe.«
Wütend starrte er mich von seiner Seite des Schreibtischs her an, und
ich wusste, es hatte keinen Sinn, weiter mit ihm darüber zu diskutieren.
»Heute bringen sie diese Leiche aus der Mine weg. Fahren Sie doch da
hin und kriechen Sie Weston ein bisschen in seinen goldenen Arsch.«
Zehn
Minuten lang saß ich nahe der Grenze im Auto und starrte über den Fluss
Richtung Strabane, als würde ich dort irgendwie die Antwort finden. Schließlich
rief ich Hendry auf seinem Handy an. Ich ließ es klingeln, bis die Verbindung
unterbrochen wurde. Ich rauchte noch eine Zigarette und versuchte es erneut. Auch
diesmal ging er nicht ans Telefon. Ich hatte den Eindruck, da wollte mir jemand
etwas zu verstehen geben.
Wie
geheißen, fuhr ich erneut zu Orcas. Der Verkehr war dichter als erwartet, und
mir fiel auf, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil davon in Richtung des Lagers
fuhr, das die Leute an dem Wasserlauf errichtet hatten, wo Ted Coyle sein
Goldnugget gefunden hatte. Pattersons abschließende Bemerkung wurmte mich, und
zudem war ich stets froh, bei solchem Wetter eine halbe Stunde an der frischen
Luft verbringen zu können, daher steuerte ich ebenfalls das Lager an.
Die Anzahl
der dort abgestellten Autos hatte deutlich zugenommen. In den Duft der
Nadelbäume mengten sich nun Essensgerüche und Holzrauch. Die Atmosphäre unter
dem Laubdach war
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