Blutgrab
ein anerkennendes Nicken entflohen war, fuhr Schaumert fort: »Sie machen Ihren Job, ich den meinen. Und ich setze auf eine gute Zusammenarbeit, meine Herren«, er betrachtete Anke Fleiß von der Pressestelle, »meine Dame. Ich freue mich und bin zuversichtlich, dass wir den Fall schon bald lösen werden.«
Nun grunzte Ulbricht. »Das ist hier doch keine Pressekonferenz, Herr Oberstaatsanwalt, das ist eine Einsatzbesprechung.« Er blickte über die Schulter und flüsterte dann hinter vorgehaltener Hand: »Wir sind sozusagen unter uns und können Klartext reden.«
»Ich denke, dazu sind solche Meetings da«, stimmte Schaumert ihm zu.
»Besprechungen«, verbesserte Ulbricht ihn. »Wir reden hier deutsch.«
»Das geht klar.« Schaumert nickte. »Also wäre es schön, wenn Sie mich über die Facts… über den Stand der Dinge informieren würden.«
»Nichts lieber als das.« Ulbrichts Stimme klang ironisch, doch er hatte keine Wahl: In diesem Spiel war der Staatsanwalt der Mann, der am längeren Hebel saß, und insgeheim war er froh, dass er es mit Schaumert offenbar recht gut getroffen hatte. In den Jahren seiner Tätigkeit hatte er schon mit ganz anderen Staatsanwälten kooperieren müssen.
Nachdem Heinrichs sich wieder gesetzt hatte, bat Ulbricht ihn, Schaumert auf Stand zu bringen.
Der Staatsanwalt setzte die Brille ab und wischte den Beschlag mit dem Saum seiner Krawatte fort. Er lauschte aufmerksam, machte sich immer wieder Notizen und unterbrach Heinrichs' Assistent nicht ein einziges Mal. Erst, als Heinrichs geendet hatte, nickte Schaumert und faltete die Hände auf der Tischplatte.
»Gut, vielen Dank. Wir ziehen also Bilanz: Was ist geschehen: Wir haben den Einbruchdiebstahl in eine kleine Polizeiwache. Unter anderem wurden Maschinenpistolen, die dazugehörige Munition und schusssichere Westen aus Polizeibeständen entwendet. Ein Mann ertappte die Täter und musste - offensichtlich -deshalb sterben. Das ist bedauerlich.« Schaumert presste die Lippen zu einem Strich zusammen und drückte so sekundenlang sein Mitgefühl für den toten Hans Halbach aus. »Aber die zentrale Frage muss doch lauten: Was wollen die Täter mit den Waffen? Dienen sie dazu, auf dem Schwarzmarkt veräußert zu werden, oder sind sie Mittel zum Zweck?«
»Könnten Sie Klartext reden?«, fragte Ulbricht. »Damit kommen meine Leute besser klar.«
»Natürlich, Entschuldigung. Soll heißen: Haben die Täter die Waffen unter Umständen gestohlen, um damit weitere Straftaten zu begehen?«
»Worauf wollen Sie hinaus, Staatsanwalt?« Ulbricht kniff die Augen zusammen und trank von seinem Kaffee, der inzwischen ohne Verbrennungen dritten Grades zu genießen war.
Wolfgang Schaumert blickte in die Runde. »Wenn die Kerle die Knarren abgezogen haben, um damit eine eigene Sache zu starten, dann steht uns eine ziemlich große Scheiße bevor. Wir sollten uns warm anziehen.« Schaumert schenkte Ulbricht ein feines Lächeln. »War das für Ihre Leute verständlich genug, Hauptkommissar?«
Ulbricht konnte nicht umhin: Der neue Staatsanwalt war ihm durchaus sympathisch.
4
Er hatte alles genau geplant. Lange hatte er über dem Plan gebrütet, geeignete Verstecke ausgekundschaftet und Fahrzeiten berechnet. Nach dem ersten Schlag hatten sie ihr provisorisches Lager in der Scheune eines Bauern in der Oberbergischen Pampa aufgeschlagen. Natürlich hatte der Besitzer nichts von den ungebetenen Gästen mitbekommen, denn die Scheune lag am Waldrand auf eine seiner Wiesen, abgelegen und damit völlig unbemerkt vom Leben auf dem Gehöft.
Für die Männer war Wipperfürth der Arsch der Welt, respektive des Bergischen Landes. Nicht mehr ganz Bergisch, aber noch lange kein Sauerland, war das Kaff abgelegen genug, um für eine Nacht als Unterschlupf zu dienen. Über die nächtlichen Landstraßen konnten sie ihr Ziel, das sie in wochenlanger Vorarbeit ausgespäht hatten, erreichen, um dort die ersten Stunden nach dem Bruch in Ronsdorf abzuwarten. Der alte Mann hatte mit dem Leben bezahlen müssen, weil er sie bei der Arbeit überrascht hatte. Aber wahrscheinlich, so hatten sie in der Nacht sinniert, wäre er sowieso nicht mehr viel älter geworden. Und so konnten sie nach dem Bruch untertauchen, ohne lästige Zeugen und ohne Gefahr, erwischt zu werden, bevor sie richtig zum Zug gekommen waren. Es war, als hätte es sie nie auf dieser Erde gegeben.
Die drei hatten sich in der Scheune versteckt, waren mitsamt dem Auto untergekommen und hatten sich noch ein
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