Blutgrab
mir?« Ulbricht runzelte die Stirn.
»Bei der Frau handelt es sich um eine gewisse Gisela Brabender. Sie sagt, dass Sie sie kennen.«
»Ich will mit ihr sprechen.« Ulbricht trommelte auf das Blechdach, und jetzt stieg auch Heinrichs wieder aus.
»Aber der Leichenfund am Zoo«, wagte er einen Einspruch.
»Einer nach dem anderen«, erwiderte Ulbricht. »Jetzt holen wir uns erst mal einen ganz entscheidenden Tipp von Brabenders Frau ab. Und mit etwas Glück klicken schon bald die Handschellen. Mir reicht's, ich bin müde und habe Besuch zu Hause.« Er wandte sich an Hummelmann. »Fahr du doch schon mal zum Zoo. Ein Toter wurde denen vor das Tor gelegt.«
»Also kein Feierabend?«, maulte Hummel.
»Dieses Wort solltest du aus deinem Bullen-Wortschatz streichen, und zwar ersatzlos«, grollte Ulbricht und folgte dem Feuerwehrmann zum Rettungswagen, in dem Gisela Brabender ärztlich versorgt wurde.
*
»Frau Brabender?« Der Feuerwehrmann klopfte gegen die Inneneinrichtung des Krankenwagens. Heinrichs hatte sich mit Hummelmann verabschiedet, um sich um den rätselhaften Leichenfund am Zoo zu kümmern, und Ulbricht war wieder ein Einzelkämpfer.
Die zierliche Frau, die auf der Bahre hockte, blickte auf. Als sie Ulbricht erkannte, erhellte ein zaghaftes Lächeln ihr fein geschnittenes Gesicht.
Der Krankenpfleger machte Platz und drückte sich in eine Ecke des Wagens.
»Wie geht es Ihnen?«
»Aus medizinischer Sicht gut, das hat man gerade bei der Untersuchung festgestellt.«
»Sie steht unter Schock«, erklärte der Arzt, ein junger Mann, der offensichtlich gerade erst das Medizinstudium abgeschlossen hatte.
»Was war denn los?«, fragte Ulbricht so einfühlsam wie möglich.
Stockend berichtete Gisela Brabender, was ihr am Abend zugestoßen war.
»Er hat mich in dieses Gewölbe geschafft und mich eingesperrt. Bernd sagte, es wäre nur zu meinem Besten, und er habe viel vor mit mir. Ich glaube, er ist völlig durchgedreht. Er hat mich dabei so irre angeschaut, es war einfach nur unheimlich.«
»Nun sind Sie frei.« Mehr fiel Ulbricht nicht ein.
»Was ist mit meinem Hund?«, fragte sie stockend, obwohl sie bereits zu wissen schien, was dem Tier zugestoßen war.
»Er ist leider tot«, sagte Ulbricht. »Erschossen.«
»So ein sinnloser Tod«, murmelte Gisela Brabender, während Tränen in ihre Augen traten.
»Jeder Mord ist sinnlos, egal ob an Mensch oder Tier.« Etwas anderes wollte Ulbricht nicht einfallen. Zu Hunden hatte er kein sonderlich gutes Verhältnis, und normalerweise kümmerte er sich darum, Morde an Menschen aufzuklären.
Ulbricht stutzte. »Haben Sie gerade einen Namen genannt, den Namen Ihres Entführers, meine ich?«
Gisela Brabender wich seinem Blick aus, kaute auf der Unterlippe und nickte zögernd.
»Wer war es?« Ulbricht musste sich bemühen, ruhig zu bleiben.
»Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll… ich kenne den Mann seit ein paar Jahren.« Sie blickte den Arzt, der mit sorgenvoller Miene neben ihr stand, an. »Könnten Sie uns bitte kurz alleine lassen?«
Der junge Mann zögerte, den Krankenwagen zu verlassen.
»Es ist in Ordnung, und es geht mir gut«, setzte Gisela Brabender nach.
»Wie Sie meinen.« Der junge Arzt stieß die Tür im Heck auf und kletterte ins Freie.
»Also?«, fragte Ulbricht, als sie unter vier Augen sprechen konnten.
»Ich hatte eine Affäre mit ihm. Es war… nicht ganz leicht für uns.«
»Das müssen Sie mir erklären, fürchte ich.«
»Er war zum Zeitpunkt unseres Verhältnisses verheiratet. Inzwischen müsste er geschieden sein. Sie werden seine Frau kennen. Carolin Mertens, die Mitarbeiterin meines Mannes.«
Ulbricht war komplizierte zwischenmenschliche Geschichten gewohnt. Oft genug war Eifersucht ein Mordmotiv. Diesmal war es jedoch bei einer Entführung geblieben, warum auch immer, vielleicht, weil das Opfer rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnte. Er erinnerte sich daran, dass Carolin Mertens gestern, nach dem Einbruch in ihre Wohnung, etwas davon erzählt hatte, dass sie verheiratet gewesen war. Dann überschlugen sich seine Gedanken: Wenn der Exmann auch hinter dem Einbruch steckte, offenbar eine Liaison mit der Frau des Chefs seiner Gattin hatte, jetzt hinter der Entführung steckte, dann war er wahrscheinlich auch einer der Räuber. Ulbricht kämpfte gegen die Reizüberflutung an. Er war nicht imstande, die richtigen Verbindungen zu knüpfen, und beschloss, dies später in der Teambesprechung nachzuholen.
»Ihr
Weitere Kostenlose Bücher