Blutheide
einem Alleingang? Wie dumm war sie eigentlich! Vielleicht hätte sie doch besser aus dem Polizeidienst ausscheiden sollen, wie sie es seinerzeit in Erwägung gezogen hatte. Doch diese Erkenntnis half ihr im Moment überhaupt nicht weiter. Katharina schluckte, als Saalbach jetzt auf sie zutrat. Sie sah sich nach einem Gegenstand im Raum um, mit dem sie sich im Zweifel zur Wehr setzen könnte. Doch das Schummerlicht und die karge Ausstattung der Hütte machten auch diesen Plan sofort zunichte.
Saalbach musterte sie selbstgefällig und sagte beschwichtigend: »Katha, hab Vertrauen! Das Zimmer dort hinten hat auch ein Fenster«, nickte er zu der geschlossenen Tür hinter der Katharina die Toilette vermutete. »Ich hab dir doch versprochen, dass hier jemand ist, der dich zu dem Kind führt. Und ich halte meine Versprechen. Entspann dich!«
Katharina erschrak. Woher kannte er ihren Spitznamen? Niemand hier hatte sie bisher so genannt. In München, ja, dort schon, obwohl sie diese Abkürzung hasste – heute mehr denn je. Katha – das klang in ihren Ohren nach Katastrophe, und wenn sie sich schon oft katastrophal fühlte, musste sie nicht auch noch so genannt werden.
»Warum nennen Sie mich so? Und überhaupt: Seit wann duzen wir uns?« Sie versuchte, laut und scharf zu klingen, doch sie hörte selbst den unsicheren, schrillen Unterton in ihrer Stimme.
»Aber Katha, warum so wütend? Ich bin Journalist, gründliche Recherche ist mein wichtigstes Handwerkszeug. Und wenn hier in meiner Stadt eine neue Kommissarin auftaucht, muss ich doch wissen, mit wem ich es zu tun habe. Also beruhige dich. Du bist doch sonst so plietsch. Das hab ich gleich gespürt, als ich dich zum ersten Mal zusammen mit Benjamin im Heideglanz gesehen habe. Und heute hast du es mir auch bewiesen. Nur eins, die Sache mit seinem Bruder, diesem nichtsnutzigen Benedict, das hab ich nun wirklich nicht verstanden. Ich hoffe, das war nur ein Ausrutscher. Eine kluge Frau wie du!«
»Woher … woher wissen Sie das?« Katharina war entsetzt. Hatte dieser Verrückte sie schon länger beobachtet? Hatte er etwa ein Auge auf sie geworfen, und als sie heute bei ihm im Verlag auftauchte, die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, um sie in seine Gewalt zu bringen? War das seine Masche, weil er anders nicht an Frauen herankam? War seine Hilfsbereitschaft von Anfang an nur Tarnung gewesen und das hier seine Vorstellung von einem Liebesnest? Münchner Bilder rauschten an Katharina vorbei. Maximilian, der sich über die schlafende Helen beugte und … Katharina fühlte Panik in sich aufsteigen und ihr wurde schwindelig. Nein, bitte, nicht jetzt, nicht noch einmal, flehte sie innerlich. Ihre Ohren begannen zu rauschen und ein leichter Filter legte sich über ihre Augen. Sie versuchte den Schleier durch das Klimpern ihrer Lider zu verscheuchen. Doch es half nichts, die Panik hatte sie fest im Griff. Saalbach trat noch einen weiteren Schritt auf Katharina zu und öffnete seinen Mund, um zu antworten, als beide ein dumpfes Klopfen hörten. Im ersten Augenblick war Katharina erleichtert. Allem Anschein nach hatte Saalbach doch nicht gelogen, und in der Hütte hielt sich noch jemand auf. Auch Saalbach war bei dem Geräusch zusammengezuckt und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Fußboden, von wo das Klopfen gekommen war. Er überlegte kurz, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus: »Siehst du, hab ich es dir nicht gesagt? Wir sind hier nicht alleine.«
Das Klopfen hatte Katharina aus ihrer Panik gerissen. Hier war tatsächlich noch jemand.
»Seit wann haben Lauben einen Keller?«, fragte sie provokant. Sie wollte diesem Saalbach gegenüber nicht noch einmal Schwäche zeigen und schlug bewusst einen harten Ton an. Das brauchte sie jetzt auch für sich selbst. Sie war stark, sie musste sich nur darauf besinnen! Natürlich hatte auch sie bemerkt, dass das Klopfen von unten gekommen war, doch kam ihr das alles mehr als merkwürdig vor, zumal sie keine Kellerluke in dem Zimmer gesehen hatte. Natürlich konnte sich die im Nebenraum befinden, doch war sie noch immer vor Saalbach auf der Hut. Der Typ war ihr absolut nicht geheuer.
»Ich kenne mich mit Lauben nicht aus«, antwortete Saalbach und verfiel dann in einen Flüsterton, »aber ich weiß, dass diese hier einen Keller hat. Katha, ich glaube, ich bin dir eine Erklärung schuldig: Der Laubenbesitzer ist ein Verwandter von mir. Ich halte nicht viel von ihm, aber du kennst das ja – Blut ist dicker als Wasser. Es
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