Blutheide
tut mir leid, dass ich dir das erst jetzt erzähle und nicht schon vorhin im Verlag aber ich wollte ihn schützen. Ich glaube, er hat das Kind in seiner Gewalt. Ich beobachte ihn schon länger. Du weißt ja, wir Journalisten machen gern auch mal Polizeiarbeit, aber als du dann heute bei mir im Verlag aufgetaucht bist … Tatsache ist, dass es vorhin reine Show war, als ich an der Tür geklopft habe. Ich hätte auch gleich den Schlüssel holen können, aber ich wollte ihm Gelegenheit geben, abzuhauen.«
»Und Sie meinen, das hat er nicht getan und jetzt ist er hier unten?«, flüsterte Katharina zurück.
»Nein, ich glaube, er ist durch das hintere Fenster abgehauen. Er wird mitbekommen haben, dass ich nicht allein hier bin und hat dann Eins und Eins zusammengezählt. Es stand offen. Auch würde er sicher nicht so dämlich sein und ein Geräusch verursachen. Was ich aber meine ist, dass das Kind hier ist. Hier im Keller«, sagte Saalbach nun wieder lauter.
Katharina war wie vom Blitz getroffen und vergaß alle Vorbehalte, die sie bis eben noch gegenüber dem Journalisten gehabt hatte. Das, was er ihr eben gesagt hatte, war wie das fehlende Puzzlestück und passte einfach perfekt. Ja, so musste es sein: Laura war hier!
»Das ist … das wäre … mein Gott, wissen Sie, wie wir in den Keller kommen?«
»Nicht genau. Aber die Luke muss hier irgendwo im Boden versteckt sein«, erwiderte er, kniete sich nieder und begann, den Linoleumboden mit den Händen abzutasten.
Katharina ließ sich ebenfalls auf ihre Knie nieder und tat es dem Journalisten gleich. Eine innere Stimme mahnte sie, spätestens jetzt Verstärkung anzufordern, doch dazu wollte sie sich nicht die Zeit nehmen. Ihre Gedanken kreisten einzig darum, so schnell wie möglich Laura zu finden.
Nach nur wenigen Sekunden fühlte Katharina eine unebene Stelle. Sie versuchte, das Linoleum anzuheben und es gelang ihr nahezu mühelos. Zum Vorschein kam ein Teil einer Bodenluke.
»Hier, hier ist es. Ich hab den Zugang gefunden«, zischte sie Saalbach zu, während ihr Herz bis zum Anschlag klopfte. »Ich werde sie jetzt öffnen. Bleiben Sie hinter mir. Sie sind Zivilist, und falls er doch da unten ist, wäre das zu gefährlich. Verwandter hin oder her.«
Saalbach nickte nur und Katharina registrierte trotz ihrer Aufregung, dass er sie fasziniert dabei beobachtete, wie sie – nach wie vor auf den Knien – die Luke langsam anhob.
12.39 Uhr
Bene hatte sich wieder gefangen. Nachdem er das Saxofon behutsam zurück in den Koffer gelegt hatte, setzte er sich auf das Sofa. Er sollte sich bei Ben melden, um ihm zu sagen, dass er den Termin mit Julie eingehalten hatte und nun von Leonie wusste. Erneut stieg leichte Wut in Bene auf. Acht Jahre lang hatte sein Zwilling von der Kleinen gewusst und kein Wort gesagt! Doch insgeheim wusste Bene sehr genau, dass seine Verärgerung nicht gerechtfertigt war. Ben hatte Julie gegenüber sein Versprechen gehalten, genau das war der Unterschied zwischen ihnen beiden: der verlässliche, verantwortungsbewusste Benjamin und der unzuverlässige, kindsköpfige Benedict. Ob sich das wohl jemals wirklich ändern würde?
Bene griff nach seinem Handy, das neben dem Sofa auf dem Fußboden lag. Gerade, als er Bens Nummer wählen wollte, sah er, dass er eine SMS bekommen hatte. Während er sich mit dem Saxofon den Kopf frei gespielt hatte, hatte er den Klingelton offenbar überhört. Erfreut sah er, dass die Nachricht von Katharina stammte. Er klickte sie auf und las irritiert, was sie geschrieben hatte: ›Hi, bin in einer Laubenkolonie.‹
Was sollte das denn? Bene wusste nicht, wie er diese Nachricht von Katharina einordnen sollte. War das jetzt eine Einladung oder was? Nein, das machte so auch keinen Sinn, denn dazu hätte er wissen müssen, in welcher Laubenkolonie sie war. Und überhaupt … Laubenkolonie – das passte ja nun so gar nicht zu Katharina. Oder kannte er sie doch noch viel zu wenig, um sie einschätzen zu können? Konnte er seiner Menschenkenntnis nicht mehr vertrauen? Vielleicht stand die verwegene Kommissarin ja auf merkwürdige Spielchen … Nicht, dass Bene dafür nicht zu haben gewesen wäre, aber im Moment stand ihm danach definitiv nicht der Sinn. Auch wenn das Saxofonspiel ihm einen halbwegs klaren Kopf verschafft hatte, da spukten immer noch genug verwirrende Gedanken hin und her. Und wenn er sich und sein Leben tatsächlich ändern wollte, dann musste er jetzt ein paar Dinge in den Griff bekommen. Ein
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