Blutherz - Wallner, M: Blutherz
gefragt.
»Nein, Sir, ich war nur für einige Zeit beurlaubt. Ich bin eine der Lernschwestern.«
»Den Job können auch andere machen. Sie sollten …« Er hatte sie intensiv gemustert und plötzlich gesagt: »Sie sind bereit für den nächsten Schritt.«
»Welchen Schritt, Sir Kennock?«
»Ich nehme Sie in unser Weiterbildungsprogramm auf.« Als sei es das Natürlichste von der Welt, hatte der vielbeschäftigte Arzt Samantha in sein Büro mitgenommen und ihr verschiedene Bücher aus seiner Bibliothek herausgesucht. »Studieren Sie das«, hatte er gesagt. »Und das auch. Und das hier am besten auch gleich.« Der Stapel in Sams Arm war gewachsen. »Büffeln Sie anständig, dann legen Sie die Prüfung ab. Ich bin überzeugt, dass Sie eine gute Operationsschwester abgeben werden.«
»OP-Schwester, ich?« Normalerweise dauerte eine solche Entwicklung Jahre.
»Natürlich.« Optimistisch hatte ihr der Chef die Hand gedrückt. »Sie sind zu Größerem geboren, als hier Urinflaschen zu leeren.«
Zu Größerem geboren , dachte Sam, während sie Andrew in den Arm nahm. Wenn sie sich anstrengte, würde sie Sir Kennock bei seinen komplizierten Eingriffen assistieren dürfen: Nieren-, Leber-, vielleicht sogar Herztransplantationen. Warum nicht, dachte sie lächelnd, auf eine besondere Weise bin ich ja bereits ein Herzspezialist.
»Was wirst du als Erstes unternehmen?«, fragte sie den Jungen.
»Hotdogs essen natürlich.« Er erwiderte ihre Umarmung. »Schluss mit dem Krankenhausfutter.«
»Aber nicht zu viele Hotdogs, versprochen? Wenn du nett bist zu deiner Niere, ist deine Niere auch nett zu dir.«
»Und du? Was ist bei dir so passiert?«
»Oh, einiges«, lächelte sie. »Ich habe zum Beispiel eine Wohnung gefunden, im Süden der Stadt. Sie ist nicht groß, aber sehr gemütlich.«
Sam sah Andrews Mutter hinter der Glastür auftauchen. »Pass auf dich auf, mein Lieber.« Samantha nahm ihn an der Hand, brachte ihn zum Ausgang und sah zu, wie ihr kleiner Freund in sein neues Leben hinausging.
Als sie am Nachmittag ihr Apartment im südlichen London betrat, roch es dort wie früher daheim. Auch wenn die Weihnachtszeit längst vorbei war, brieten Äpfel auf dem Ofen.
»Lust auf was Süβes?«, fragte John Halbrook. Der Vikar trug wie immer ein weißes Hemd, hatte den strengen Priesterrock aber gegen eine gemütliche Hausjacke gewechselt. »Vor den Bratäpfeln gibt es Salat. Hast du Hunger?« Ohne sie anzusehen, hantierte er in der Küche.
Der Anblick ihres Vaters gab Sam ein behagliches und sicheres Gefühl. Als sie ihm angekündigt hatte, sie wolle wieder arbeiten und sei auf der Suche nach einem Kindermädchen, war John in den nächsten Zug gestiegen und hatte seine Hilfe angeboten.
»Ich hab solchen Hunger, ich könnte einen Ochsen aufessen.« Sam schlüpfte aus den Schuhen und hängte den Mantel auf.
»Einen Ochsen?« Er musterte sie durch die Nickelbrille. »Mit blutigen Sachen wolltest du doch aufhören. Vegetarisch bekommt dir viel besser.«
»Na schön, kein Ochse.« Erschöpft ließ sie sich auf den Stuhl fallen. »Wie geht es dem kleinen John?«
John durchmischte den Salat. »Er schläft ganz goldig.«
»Um diese Zeit?« Sie schaute auf die Uhr. »Das ist nicht gut, dann liegt er nachts wieder wach.« Mit tadelndem Blick ging sie an ihrem Vater vorbei. »Das wollen wir nämlich von Anfang an nicht einreißen lassen, dass unser Junge die schlechten Eigenschaften seines Vaters annimmt.« Sie betrat das angrenzende Zimmer und beugte sich über das Babybett. »Hallo, mein Hübscher«, sagte sie zärtlich. »Auch wenn dein Papa ein Nachtschwärmer ist, bei uns wird nachts geschlafen. Tagsüber sind wir vergnügt und munter.« Sie weckte das Kind und nahm es auf den Arm. »Guck mal, wie schön das hier ist.« Sie drehte sich mit dem verschlafenen Kleinen im Kreis. Wände und Decke waren mit freundlichen Sonnen gemustert; Sam hatte lange nach der Tapete gesucht. Nun war das Kinderzimmer so freundlich, wie sie es haben wollte. »Die Sonne ist etwas Gutes, weißt du? Eigentlich ist sie das Allerbeste.«
»Ääkkhh«, machte der kleine John.
»Sonne«, wiederholte Samantha. »Das ist das erste Wort, das ich dir beibringe.«
»Da war ein Anruf für dich«, sagte der Vater aus der Küche.
»Was Wichtiges?«
»Ein junger Mann hat offenbar Sehnsucht, dich wiederzusehen.«
Mit John auf dem Arm, kehrte sie zum alten John zurück. »Wer denn?«, fragte sie mit gespielter Gleichgültigkeit.
»Irgendwie hörte
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