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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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mochten einander, weil beide auf der untersten Stufe der Abteilung standen, zwei Niemande, die von den Göttern in Weiß kaum bemerkt wurden. Sam wollte das »Nein« ihrer Tante nicht kampflos hinnehmen, darum fragte sie Harry, ob er die Nachtschicht mit ihr tauschen würde.
    »Und als Gegenleistung krieg ich was?«, fragte er auf seine schmatzende Weise, die einen glauben ließ, Harry habe etwas im Mund.
    »Ich dachte, ich übernehme ein anderes Mal deinen Dienst«, antwortete sie unschuldig lächelnd.
    »Hältst mich wohl für doof oder was?« Er kratzte sich unter der Haube. »Wenn der alte Drachen dahinterkommt, lässt sie mich sämtliche Nachtdienste bis Silvester schieben.«
    Normalerweise hätte Sam ihre Tante nicht als Drachen bezeichnen lassen, aber sie wollte Harry auf ihrer Seite haben. »Womit kann ich mich sonst erkenntlich zeigen?«
    »Wie wärs mit’nem Striptease?«
    »Keine Chance«, entgegnete sie trocken.
    »Dann läuft’s ja wohl auf Cash hinaus.« Harry machte die Geste des Geldzählens.
    »Wie viel?«
    Er nannte eine Summe, sie lachte ihn aus und bot die Hälfte. Sie feilschten und einigten sich auf einen Betrag, der Sam zwar den Schweiß auf die Stirn trieb, aber noch zu verkraften war. Die Sache sollte so ablaufen, dass sie ihre Schicht um 19.00 Uhr antrat, er sie eine Stunde später ablöste und vertrat, bis sie von ihrer Verabredung zurückkam. Der Morgendienst würde Sam auf der Station vorfinden, als ob sie nie fort gewesen wäre.

    »Wenn’s auffliegt, sag ich, es war deine Idee«, sicherte Harry sich ab.
    Sams Gedanken waren bereits bei der Lösung des Garderobenproblems. Als ihr Dienst an diesem Tag endlich vorbei war, raste sie in den Keller und kam Minuten später in Zivil wieder ans Tageslicht. Sie nahm die Underground bis Marble Arch und erreichte den Trendladen Primark. Sam war noch nie bei Primark gewesen, hatte bloß gehört, dort würden die Billigversionen von Designerklamotten auf der Stange hängen, kaum dass die Originale den Laufsteg verlassen hätten. Sie besaß keine genaue Vorstellung davon, was man zu einem offiziellen Dinner anzog: am besten eine Mischung aus frech und elegant. Es stellte sich als schwierige Aufgabe heraus. War ein Kleid hip, hatte Sam nicht die nötige Figur dafür, war es traditionell, sah sie darin aus wie ein Mitglied des Kirchenchors von Lower Liargo. Sie probierte Fetzchen in schrillen Farben, etwas Halblanges in Weiß, sie quetschte sich in hautenge Hosen und polsterte ihre Oberweite mit einem Wonderbra aus. Sie war einfach noch nicht zufrieden.
    »Du bist das, was ich den Typ Diana nenne«, sagte ein schwarzer Angestellter mit kreideweicher Stimme. Er trug einen roten Seidenanzug, Sam bestaunte seine locker gebundene Krawatte, die er über dem hochgeschlagenem Hemdkragen trug.
    »Der Was-Typ?«, fragte sie.
    »Diana, die Göttin der Jagd. Sie bevorzugt Erdtöne, weiche Materialien, sie trägt gerne Stiefel dazu.«
    »Ich bin zum Dinner eingeladen«, versuchte Sam, Licht in die Sache zu bringen.
    »Eine nächtliche Jagd also«, nickte er. »Mitternachtsblau, dazu Stiefeletten in Creme.«
    Da sie gerade vor der Stange mit den Cocktailkleidern
standen, fragte sie: »Wie wärs mit einem kleinen Schwarzen?«
    »Ach, du liebe Zeit! Damit verleugnest du deine Aura bis in die Fingerspitzen. Du bist nicht die mondäne Krokotaschenmitläuferin, bist nicht das Kätzchen, das nach Daddys Autoschlüssel schnappt. Du bist eine einsame Wildbraut, deine rote Mähne sagt Achtung! zu den Männern, aber deine Augen besänftigen sie wie die Klarheit eines Hochgebirgswassers.«
    Er nahm die staunende Samantha von Abteilung zu Abteilung mit, legte ihr hellgrüne Unterwäsche vor, schwarze Strümpfe und ein Kleid im Grau eines verwehten Novemberhimmels. Er stellte sie auf Schuhe, die zwar ein eingehendes Lauftraining erforderlich machten, sie aber fast einen Kopf größer und um einiges reizvoller erscheinen ließen.
    Beeindruckt von ihrem Spiegelbild, zückte sie das Portemonnaie und stellte fest, dass sie nicht annähernd genug dabeihatte. Aber seit Sam angestellt war und ein Girokonto hatte, besaß sie auch eine Credit Card. Mit lässiger Geste schob sie das Stück Plastik über den Tresen, beobachtete, wie es von der Maschine geschluckt und wieder ausgespuckt wurde, und ließ sich den Kassenbon zur Unterschrift vorlegen. Mit dem Gefühl, die letzte Stufe zum Erwachsensein zu erklimmen, setzte sie ihren Namenszug auf das Papier. Begleitet von den besten

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