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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der die Uniformen versteckt hatte, und plötzlich wurden auch die anderen so ernst wie der Kompaniechef.
    »Gestohlen sind sie!« schrie Pjotr Iwanowitsch in aufblitzender Erkenntnis. »Das war kein Streich … man hat uns unsere Uniformen gestohlen!«
    So war es.
    Die Untersuchung, die sofort eingeleitet wurde, bewies, daß die Uniformen als einzige Kleidungsstücke außerhalb der Zelte hingen, eben, weil sie trocknen sollten. In der Nacht mußte jemand durch das Lager geschlichen sein, hatte die Uniformen gesehen und an sich genommen. Was er damit wollte, war zunächst von minderer Bedeutung … viel wichtiger war es, daß ein Unbekannter das Lager betreten konnte, zwei vollständige Uniformen klaute und von keiner Wache gesehen wurde.
    Das war eine so ungeheure Tatsache, daß der Kompaniechef sofort den Politoffizier einschaltete und zunächst mit russischer Gründlichkeit alle Wachen der vergangenen Nacht verhaftete. Die Verhöre begannen mit einem Donnerschlag: Der Unteroffizier Tutscharin, Wachhabender der 2. Wache, sagte aus, daß er von einem ihm unbekannten Panzerleutnant angeschnauzt worden sei, der plötzlich vor ihm stand, wie aus dem Boden geschossen.
    »Das war um zwei Uhr morgens, Genosse Major«, sagte Tutscharin zerknirscht. »Er ließ sich von mir das Losungswort wiederholen und befahl mir, besonders wachsam zu sein.«
    Ein Panzerleutnant.
    Die Offiziere des Garderegimentes 5 sahen sich betroffen an. Sie hatten keine Ahnung von dem fahnenflüchtigen Leutnant Muratow, den man in Pilsen im Schnellverfahren in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatte. Das erfuhren sie erst zwei Tage später, als sie die von ihren Vorgängern übergebenen Befehlsmappen studierten.
    »Ein Leutnant klaut keine Uniformen«, sagte der untersuchende Major. »Ihre Aussage klingt sehr unglaubwürdig, Unteroffizier Tutscharin. Ich weiß, wie es war. Sie haben geschlafen und geträumt und setzen uns jetzt Ihren Traum als Wahrheit vor.«
    »Ich schwöre es … es war ein Leutnant.« Tutscharin begann zu schwitzen. Schlafen auf Wache … das war so sicher Sibirien wie ein Rülpser nach einer fetten Kascha. »Der Leutnant ging ganz langsam durch die Lagergasse.«
    »Wohin?«
    »Weiß ich es? Ich kontrollierte meine Posten. Ich kann doch keinen Genossen Offizier aufhalten.«
    »Da hat er recht«, sagte der Major widerwillig. »Nehmen wir an, es gibt diesen fremden Leutnant … was wollte er nachts um zwei Uhr bei uns im Lager? Warum meldete er sich nicht beim Kommandeur oder beim wachhabenden Offizier? Es gibt nur eine Erklärung, Genossen: Er suchte hier etwas. Und er fand es! Es waren die beiden Uniformen. Aber nimmt ein sowjetischer Leutnant Uniformen mit? Nein! Also war es kein echter sowjetischer Offizier. Es war ein verkleideter Saboteur! Genossen, das ist ein Fall für den KGB! Wir müssen es nach Prag melden. Unser Aufenthalt fängt ja gut an.«
    Bis auf die Theorie, daß ein falscher Leutnant sich durchs Lager geschlichen hatte, stimmte die Rekonstruktion des rätselhaften Falles genau.
    Um zwei Uhr neununddreißig erreichte Muratow Karel Pilny und Irena Dolgan. Sie lagen am Fuße des Hügels im hohen Gras und warteten auf ihn.
    »Zwei Uniformen –«, sagte Muratow fröhlich, als käme er von einem Würfelspiel, das er gewonnen hatte. »Es war so einfach wie ein Blümchenpflücken. Nun können wir aufrecht als Russen an die Grenze marschieren –«

XVI
    Oberst Tschernowskij hatte seine Koffer gepackt. Es waren zwei elegante, helle Schweinslederkoffer, in Paris auf der Rue Faubourg St. Honoré gekauft. Mit Wehmut dachte er daran, wie schön sein Leben bis zu dieser Stunde gewesen war.
    Dort, wohin man ihn jetzt von Moskau aus schicken würde, brauchte er keine schweinsledernen Koffer mehr, keine italienischen Anzüge, keine Schweizer Uhren und keine Seidenhemden aus Hongkong. General Ignorow hatte es deutlich zu verstehen gegeben: »Sie kommen sofort zurück, Andrej Mironowitsch«, war sein letzter Anruf gewesen, der über Prag und Pilsen in das Nest Horni Vltavice lief. »Ihre Kapriolen habe ich satt. Oberstleutnant Woronigradow wird Ihren Posten übernehmen. Er trifft morgen in Prag ein. Man hat Sie in die Tschechoslowakei geschickt, damit Sie Ordnung unter die Rebellen bringen. Und was tun Sie? Stellen in einer Rundfunkmeldung eine Agentin bloß, kompromittieren die ganze Sowjetunion. Sie rennen einem wippenden Hintern nach wie ein Hahn einer Henne! Ich erwarte Sie morgen nachmittag bei mir zum Rapport.«
    Tschernowskij

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