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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte nichts entgegnet. Wenn der gelbe Giftzwerg in Moskau schlechte Laune hatte, war es vergeblich, zu argumentieren. Zwei Stunden lang saß er neben seinen beiden Pariser Koffern und erwog ernsthaft, seine Abreise in eine andere Richtung zu lenken. Wien lag nahe, auf jeden Fall näher als Moskau und Jakutsk, man konnte sich als politischer Flüchtling anerkennen lassen, als Gegenleistung einiges aus dem sowjetischen Geheimdienst plaudern, nicht viel, im Grund Unwichtiges, denn im Herzen blieb man Russe und verriet nicht sein heiliges Vaterland. Dann war man frei, hatte alle Bande zur Heimat zerschnitten und lebte als alternder Mann traurig hinter dem Ofen. Vielleicht fand man eine Anstellung bei der österreichischen Abwehr, aber nur einen unwichtigen Posten, denn das Mißtrauen der anderen Seite würde ständig bleiben und erst bei seinem Tod erlöschen. War das ein Leben?
    Tschernowskij ruderte in seinem schweren Gewissenskonflikt wie ein Schiffbrüchiger, der vor sich einen Balken und einen Rettungsring sieht und sich nicht entschließen kann, wen er nehmen soll. Wer ist sicherer? Wer trägt ihn am weitesten?
    In dieses große Problem platzte der Anruf aus Prag. Major Abadurian, sein Stellvertreter und ein kleiner dunkelhaariger Kaukasier, den Tschernowskij sehr schätzte, meldete den Diebstahl der beiden Uniformen aus dem neuen Lager der 3. Kompanie an der Grenze.
    »Ich könnte Sie umarmen, Iwan Nikiforowitsch, wenn Sie jetzt hier wären!« schrie Tschernowskij ins Telefon. Er gab seinen Koffern einen Tritt und fegte sie in die Ecke. »Wenn Sie wüßten, was Ihr Anruf für mich bedeutet. Gar nicht ermessen können Sie das! Sie machen mich für alle Zeiten dankbar –«
    Major Abadurian blickte auf seine Uhr. Zehn Uhr vormittags und schon besoffen, dachte er. Er hat sich sehr verändert, der gute Andrej Mironowitsch. Psychologen behaupten ja, daß der Mensch im Alter ein anderes Gesicht bekommt, aber mit fünfzig ist Tschernowskij noch ein bißchen zu jung, um zu vergreisen.
    »Sonst liegt nichts vor«, sagte Abadurian abgehackt. »Die Listen aller aufsässigen Intellektuellen sind vollständig. Die Leute werden beobachtet, soweit sie noch hier sind.«
    »Es kann nichts Wichtigeres geben als die geklauten Uniformen, glauben Sie mir. Ich umarme Sie, Iwan Nikiforowitsch –«
    Abadurian legte den Hörer auf. Tragisch, dachte er. Französischer Kognak, seine große Leidenschaft. Er säuft sich noch um seinen Generalmajor. Dann dachte er an die unglückliche Tschernowskaja in Moskau und bekam träumerische Augen.
    Tschernowskij aber entwickelte eine große Betriebsamkeit. Zunächst rief er in Moskau an. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Leitungen nach Horni Vltavice frei waren, aber dann war die Verständigung so klar, als säße Ignorow im Nebenzimmer und spräche über den Hausapparat.
    »Keine Kommentare, Tschernowskij«, bellte der gelbe Giftzwerg aus Moskau, als sich Tschernowskij meldete. »Und keine Ausreden! Sie sind morgen abend bei mir. Das ist ein Befehl! Was wollen Sie noch?«
    »Um eine Verlängerung bitten, Genosse General.« Jetzt mache ich es förmlich, dachte er. Auch er hat mich ja eben nur Tschernowskij und nicht wie sonst Andrej Mironowitsch genannt.
    »Unmöglich! Sie kommen!«
    »Ich bin einer Sabotagetruppe auf der Spur. Es wäre unverantwortlich, wenn ich jetzt abreisen müßte.«
    »Wer soll Ihnen das noch glauben?«
    »Fragen Sie Major Abadurian!« sagte Tschernowskij heiser. »Fragen Sie auch den Kommandeur des zweiten Panzerregiments in Klatovy. Eine große Aufregung ist hier –«, fügte er hinzu und schwitzte vor Selbsterniedrigung.
    General Ignorow schien unschlüssig zu werden. Er räusperte sich. »Wie lange brauchen Sie?« fragte er endlich.
    Tschernowskij fühlte einen Stich in der Brust wie ein Mädchen nach dem ersten Kuß. Gerettet! Er beißt in den Köder! Er schenkt mir das Leben! Er verschiebt seinen Befehl, der den Oberst Tschernowskij für immer aus der Sonne rückt.
    »Drei Tage«, sagte Tschernowskij kühn.
    »Zwei!« rief Ignorow starrsinnig. Für ihn waren Angebote zunächst dazu da, daß man sie ablehnte. »Was man in drei Tagen erledigen kann, kann man auch in zwei, wenn man sein Soll hochschraubt.«
    Gegen diese Logik fand auch Tschernowskij keine Argumente mehr. »Ich will es versuchen, Genosse General«, wich er aus. »Ich gebe Ihnen übermorgen wieder Nachricht.«
    Eine Stunde später traf Oberst Tschernowskij bei der dritten Kompanie ein. Die Offiziere des

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