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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vom Boden und hielt sie ihm hin. »Wir müssen den Toten wegschaffen.«
    »Aber Irena … Sie hat einen Schock bekommen! Wenn das Herz aussetzt!«
    »Es wird weiterschlagen, Miroslava wird sich um sie kümmern. Sie haben uns vorhin nicht gebraucht … sie werden auch jetzt allein fertig werden.«
    Er zog Pilny vom Tisch weg und warf ihm die Jacke über. Dann stieß er ihn vor sich her die Treppen hinauf. Erst oben, im Innenhof des alten Hauses, in der von Feuchtigkeit schweren Nachtluft, kam Pilny zur Besinnung. Er lehnte sich an die Hauswand und schüttelte den Kopf.
    »Was ist eigentlich geschehen?« stammelte er. »Ich habe nichts verstanden. Irena hat einen Menschen umgebracht? Das ist doch unmöglich.«
    »Er liegt in einer Appartementwohnung vor der Couch, und Irena hat ihm mit einer eisernen Tischlampe die Schädeldecke zertrümmert.« Lucek faßte Pilny unter und zog ihn durch den Hofeingang auf die Straße. »Ich erkläre es dir während der Fahrt. Bist du überhaupt fähig, jetzt zu fahren?«
    Pilny schüttelte den Kopf. Lucek nahm ihm die Autoschlüssel aus der Tasche, drückte ihn auf den Nebensitz des kleinen Skoda und gab Gas.
    Während sie durch das hellerleuchtete, fröhliche Prag fuhren, vorbei an den Schaufenstern und Lichtreklamen, den zuckenden Neons und blinkenden Schaukästen, vorbei an einem Strom von Menschen, der die Spätvorstellung eines Kinos verließ, umrauscht vom Lärm der Großstadt, versuchte Lucek, Pilny die Situation zu erklären. Ob er es jetzt begriff, wußte er nicht … Pilny saß starr neben ihm und rührte sich nicht.
    »Vergewaltigen wollte er sie?« sagte er plötzlich.
    »Endlich!« Lucek atmete auf. »Er benutzte eine Pistole mit Schalldämpfer. Ein Kerl vom Geheimdienst, der Irena damals bei ihrer Verhaftung gesehen hatte und sie im Kino wiedererkannte. Wollte ein kleines Privatvergnügen haben und rechnete mit der Angst der Mädchen vor dem Geheimdienst.«
    »Und Irena hat ihm den Kopf zertrümmert!« Pilny lehnte sich weit zurück. »Mein Gott, muß sie verzweifelt gewesen sein! Irena, die Priesterin der Gewaltlosigkeit, die die Fenster öffnet, um die Fliegen hinauszulassen … sie tötete einen Menschen! Was hat Miroslava dabei getan?«
    »Sie lenkte den Kerl ab. Die paar Sekunden genügten, um den Leuchter zu ergreifen –« Lucek tastete in seine Tasche und warf Pilny die Pistole mit dem Schalldämpfer in den Schoß. »Das hat sie ihm abgenommen.«
    Pilny betrachtete die Pistole und legte sie dann in den Handschuhkasten. »Er hätte sie erschossen, das ist sicher. Es war Notwehr.«
    »Natürlich.«
    Sie rasten über den Wenzelsplatz, umfuhren das Nationalmuseum und suchten die abgelegene Straße, die Valentina ihnen beschrieben hatte.
    »Hier muß es sein«, sagte Lucek, als sie den Neubau sahen. Nur wenige Lichter brannten noch in der hohen, glatten Fassade. Aus einem geöffneten Fenster im zweiten Stockwerk klang Tanzmusik und Mädchenlachen auf die stille, halbdunkle Straße.
    Pilny und Lucek fuhren mit dem Aufzug in den siebten Stock. Wie zwei harmlose Besucher suchten sie das Nummernschild 34. In einem Messingrahmen stak der gedruckte Namen, des Wohnungsinhabers.
    »Stanek hieß er«, sagte Lucek und sah sich um. Der lange, weißgestrichene Flur, die Reihen der Türen, die Stille im Haus … wie sollte man reagieren, wenn jetzt plötzlich eine Tür aufsprang und jemand heraussah?
    Der Schlüssel bewegte sich lautlos im Schloß. Ein Druck, die Tür öffnete sich nach innen. Pilny und Lucek schlüpften in die kleine Diele und knipsten erst das Licht an, als sie die Tür leise wieder geschlossen hatten.
    Einen Augenblick zögerte Lucek, dann stieß er das Wohnzimmer auf und griff zum Schalter. Der gläserne Kronleuchter flammte auf, einen Moment blendete das Licht, dann sahen sie den vor der Couch knienden Mann, über dessen Kopf mildtätig ein Kissen gedeckt war. Ein Blutsee hatte sich um ihn ausgebreitet, der Anzug war vollgesogen und wie gestärkt durch die Gerinnung. Aus dem Badezimmer klang es plop-plop-plop –. Die Brause tropfte. Es war der einzige Laut.
    Pilny beugte sich über den Toten und hob mit spitzen Fingern das Kissen vom Schädel. Irena, dachte er. Das hat sie getan, um ihre Ehre zu retten. Und mir hat sie sich hingegeben mit allen Seufzern der Glückseligkeit. Damals, in den Weinbergen, auf dem breiten Bett, das nach Moder roch. Jetzt erst wußte er, wie groß ihre Liebe zu ihm war. Das erschütterte ihn mehr als der Anblick des in seinem Blut

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