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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Traktoren lagen, schütteten sie das Loch zu, stampften dann die Erde fest und rollten unter Aufbietung aller ihrer Kraft einen der herausgerissenen Stümpfe über die letzte Ruhestätte des Frantisek Stanek. Morgen oder übermorgen würden Lastwagen kommen, die Stümpfe aufladen und die Erde noch fester über das Grab walzen. Dann würden Raupen den unebenen Boden glattschieben wie einen Tisch. Nur der Jüngste Tag würde zeigen, wo man Stanek begraben hatte.
    Pilny wandte sich ab und ging zum Wagen zurück. Die nasse Erde roch stark nach Moder. Aus den Bergen der abgeschlagenen Äste zog der Duft von frischem Holz. In einer flachen Pfütze säuberte Karel seine Schuhe, schwenkte sie durch das Wasser und ging dann weiter, setzte sich in seinen Wagen und wartete auf Lucek.
    Er kam nach einigen Minuten und ließ sich stumm neben Pilny auf den Sitz fallen.
    »Fahr ab –« sagte er heiser.
    »Wo warst du noch?« Pilny ließ den Motor an. Sie erschraken beide vor dem lauten Donnern. Es war, als explodiere die nächtliche Stille.
    »Ich habe die Schaufeln wieder weggebracht.« Lucek beugte sich vor gegen die Scheibe. »Und ich war noch einmal am Grab.«
    »Warum?«
    »Ich … verdammt noch mal … ich habe gebetet …«
    Dann schwiegen sie, bis sie in Prag waren.
    *
    Frau Plachová umsorgte Irena Dolgan wirklich wie eine Mutter.
    Seit Pilny sie nach Hause gebracht hatte, ein zitterndes, völlig verstörtes und verwirrtes Vögelchen, lag sie im Bett, bekam Sahnekakao und Kuchen – eine von Frau Plachová auch gegen Lucek verbissen verteidigte Therapie.
    »Süßigkeiten beruhigten die Nerven, der ganze chemische Kram vergiftet uns nur«, sagte sie und hielt Irenas blasse Hände fest. »Wir müssen aus der Seele heraus gesund werden, da helfen keine Tropfen. Komm, Kindchen, sprich davon … sprich immer davon … erzähle, wie du ihn erschlagen hast, diesen Lumpen, diesen Hund, dieses Miststück … seife deine Seele ab, bis sie wieder sauber ist und glänzt … zerrede deine Erschütterung, laß sie bruchweise abfallen wie Walnußschalen … du hast ja recht getan … ich hätte es auch so gemacht …«
    Es war eine Pferdekur … aber sie half. Irena wurde nach einer Woche ruhiger. Sie zuckte in der Nacht nicht mehr hoch, saß nicht mehr im Bett und schrie. Sie schlief durch, aß wieder und schluckte sogar Frau Plachovás schärfstes Geschütz gegen alle Krankheiten: die Rindfleischsuppe.
    Bei Lucek und Valentina ordneten sich die Verhältnisse nicht so schnell. Er grollte, saß an den Abenden mit Valentina allein vor dem Fernsehgerät, wortlos, ohne sie anzusehen, seinen Wein trinkend, oder er zog sich in die Studierecke zurück, vergrub sich hinter seinen medizinischen Büchern und lernte verbissen für die Prüfungen.
    In den nächsten Nächten lagen sie nebeneinander, ohne sich zu berühren und starrten in die Dunkelheit, bis ein unruhiger Schlaf sie überfiel. Valentina war klug genug, Lucek nicht anzusprechen, ihm keine Fragen zu stellen, um keine Aussprache zu betteln. Sie kochte und versorgte den Haushalt, sie hockte im Hintergrund des Zimmers wie ein Hündchen, das darauf wartet, durch einen Pfiff zum Herrn gerufen zu werden.
    So ging es über eine Woche. Am neunten Tag sagte Lucek plötzlich nach dem Abendessen: »Irena ist heute aufgestanden.«
    »Das ist schön.« Valentina blickte ihn unter gesenkten Lidern an. »War es schlimm mit ihr?«
    »Ja. Sie hätte einen Nervenschaden für ihr ganzes Leben behalten können.«
    »Und nun ist alles vorbei?«
    »Ja.«
    »Ich freue mich, Micha –«
    Er knurrte etwas vor sich hin, verzog sich wieder in seine Studierecke und paukte bis gegen Mitternacht. Innere Medizin. Valentina brachte ihm ab und zu ein Glas Wein, er nickte stumm zum Dank und trank es leer. Über seine Bücher hinweg schielte er zu ihr hin. Sie saß mit angezogenen Beinen auf der Couch, hatte die Knie umschlungen und das Kinn daraufgestützt. Unbeweglich, wie eine Statue, hockte sie so im Halbdunkeln, nur die Gänge mit der Weinflasche zu Luceks Glas unterbrachen diese Starrheit.
    In der Nacht lag er wartend und lauschte in die Dunkelheit. Der Atem Valentinas neben ihm ging schneller als sonst. Dann spürte er eine Hand, die sich zu ihm tastete und auf seinem Bauch liegenblieb. Ein nacktes Bein schob sich an seine Hüfte, warm, glatt und bebend.
    Da schlug er die Arme um sie und preßte sie an sich, und sie weinte laut vor Glück, als sie ein Körper wurden, eine Seele, eine gemeinsame Welt …
    *
    Einen

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