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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tag später traf bei Frau Plachová ein Brief ein.
    Aus Deutschland. Aus Braunschweig.
    Der alte Dolgan hatte geschrieben. Einen langen Brief, in dem die herrlichen Sätze standen:
    … Ich will dich wiedersehen, mein Töchterchen. Komm auf Besuch zu uns … und bring auch deinen Karel mit. Ich werde ihm nicht den Kopf abreißen, denn ein Mensch ohne Kopf ist ein unschöner Anblick …
    »Das ist Paps! Das ist er, wie er immer war.« Irena war außer sich vor Freude, küßte Frau Plachová, was dieser die Tränen brachliegender Mutterschaft in die Augen trieb, tanzte mit dem Brief durch die Wohnung und benahm sich wie ein kleines Mädchen. Karel Pilny ließ eine Flasche Wein entkorken, aber das war falsch, denn Frau Plachová trank davon das meiste und stiftete dann noch drei Flaschen obendrauf.
    »Wir werden Ende August nach Deutschland fahren«, sagte Pilny. »Da stehe ich auf der Urlaubsliste.« Er blätterte in seinem Taschenkalender und nickte zustimmend. »Am 26. August beginnt mein Urlaub –«
    »Und am 27. sind wir bei Paps in Braunschweig. Ich schreibe es ihm sofort. Nein. Ich telegrafiere es ihm. ›Kommen am 27. August. Ich küsse dich, Paps. Deine verrückt glückliche Tochter –‹.«
    »Das sind noch zwanzig Tage«, sagte Frau Plachová und klapperte mit dem Glas. »Setzt euch hin, trinkt und betet zu Gott … Was kann in zwanzig Tagen noch alles passieren –«
    Die Weisheit der alten Mongolen stimmt noch immer: Auch ein altes Weib ist nützlich – es kann den Regen riechen.
    Wer ahnte an diesem Tag, daß auch Frau Plachová begabt war mit Prophetie?
    Irena Dolgan schickte ihr Telegramm nach Braunschweig ab.
    Wir kommen …
    Aber das Schicksal dachte anders. Es saß in Rußland, in Moskau, im Kreml.
    Und es wartete nicht mehr bis zum 27. August.

V
    Feldwebel Ernst Hollerbeck war nervös. Er hockte mit vier Mann in einem durch Zweige und Büsche gut getarnten Wachhäuschen und sah immer wieder auf die Uhr. Vor ihm zog sich eine gut ausgebaute Landstraße durch ein sanftes Wiesental, bis sie auf die Chaussee mündete, die am Fuß einer Hügelkette wie ein schwarzes Band die Landschaft durchschnitt.
    Das Waldstück, in dem Feldwebel Hollerbeck saß, war von einem hohen Drahtzaun umgeben. Ab und zu hingen Schilder an den Pfosten. ›SCHONUNG UND LANDWIRTSCHAFTLICHES VERSUCHSGELÄNDE. BETRETEN VERBOTEN. DIE FORSTVERWALTUNG.‹ Das Gebiet, das der Drahtzaun umfaßte, war ein großes Areal, mit dichtem Wald bedeckt und von Schluchten durchzogen … ein wildromantischer Fleck Erde an der bayerisch-tschechischen Grenze, ein Teil Deutschland, wo die Zeit stillgestanden hatte. Urwaldähnlich, verfilzt, düster, geheimnisvoll, sagenumwoben, von Windbrüchen zerfetzt, von Blitzen heimgesucht. Die Bauern der Umgebung hatten sich sehr gewundert, daß gerade dort die Forstverwaltung ein Versuchsgelände anlegte. »Da schmeißen sie wieder mit den Steuergeldern rum«, hatte man in den Wirtschaften des Bayerischen Waldes geschimpft. »Im Schwarzbruch … und dann forschen! Da kann man höchstens beobachten, wie die Wildsau ihre Jungen kriegen …« Aber dann gewöhnte man sich an den hohen, kilometerlangen Drahtzaun, an die Schilder, sogar an die neu angelegte Straße zum Wald gewöhnte man sich.
    Ab und zu fuhren ein paar neutrale Lastwagen in das Waldstück, nachts hörte man Krachen und Poltern – aha, sie sprengen, dachte man, sie knallen die Baumstümpfe aus dem Boden, um Pflanzraum zu schaffen … und nach wieder einigen Wochen kümmerte sich keiner mehr um den eingezäunten Schwarzbruch. Das Schweigen, seit Jahrhunderten kaum unterbrochen, senkte sich wieder über den Wald.
    Im Innern des Zaunes aber war es alles andere als schweigsam. Bunker wurden in den Humusboden gegraben und mit Beton ausgegossen, Baracken, grün und erdbraun gestrichen und mit Tarnnetzen überzogen, duckten sich unter die hohen Fichten und Kiefern; an den schlanken Stämmen der Bäume, hinauf bis zu den Wipfeln zog man Leitungen und markierte grüngestrichene Masten. Schlanke Antennen wippten in den Zweigen, als seien es dürre Äste, Radarschirme kreisten auf schmalen Lichtungen, Horchgeräte tasteten jeden Laut jenseits der Grenze ab.
    In den Baracken und Bunkern saßen an modernsten Instrumenten die Funküberwacher der geheimsten Einheit der Bundeswehr … die Männer vom G 2-Dienst. Man weiß wenig, ja fast nichts über sie … man weiß nur, daß sie Tag und Nacht nach Osten lauschen, daß sie mit Horchinstrumenten von

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