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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den großen Rinderkopf auf der Hintertür deutlich erkennen konnten. Während des Fahrens schoben die drei Sowjetsoldaten ihre Maschinenpistolen unter die rechte Achsel, lenkten die schweren Motorräder nur mit der linken Hand und drückten die Sicherungsflügel zur Seite.
    Die gnadenlose Jagd hatte begonnen.

VIII
    Valentina hatte es aufgegeben, weiter gegen die Tür zu hämmern und nach Micha zu rufen. Das war auch gar nicht mehr möglich, denn sie hatte alle Hände voll zu tun, um sich festzuhalten. Der große Wagen schleuderte hin und her, schien über Gräben und Baumstämme zu hüpfen und legte sich manchmal gefährlich schräg auf die Seite.
    Der Durchbruch aus dem abgesperrten Zoo war so einfach gewesen, daß Lucek sich im Rückspiegel ein paarmal vergewisserte, ob ihm niemand folgte. Die Sowjets schöpften keinerlei Verdacht, ja, sie winkten ihm sogar noch zu, als er mit freundlichem Grinsen, das aber mehr einer verzerrten Maske glich, an ihnen vorbeiratterte, jede Sekunde darauf wartend, daß einer an den Wagen herantrat, ihn anhielt und sagte: »Mach die Türen auf, Genosse!«
    Auch diesen Fall hatte Lucek einkalkuliert. Es war ein einfacher Plan: Entweder sterben oder durchbrechen. Es gab da nur eins: das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken, sich über das Lenkrad beugen und ab, über die im Weg stehenden Russen hinweg, in den Kugelregen hinein, der ihm aus ihren automatischen Waffen entgegenschlagen würde.
    Aber nichts geschah. Er rollte durch Tor II, die Sowjets stießen sich an wie spielende Kinder, die etwas Lustiges sehen, zeigten auf die aufgemalten Rindsköpfe und Schinken und riefen ihm etwas zu. Lucek verstand es nicht, er nickte nur und gab Gas, als er die Sperre der russischen Funkwagen passiert hatte. »Laß etwas hier, Brüderchen!« hatten die Rotarmisten gerufen. »Ein Schweinebeinchen ist gerade das richtige! Bei euch leben die Tiere besser als die Menschen, was?«
    Außerhalb des Zoos drehte Lucek ab und umfuhr Prag, bis er auf die Staatsstraße 5 kam. Ein paarmal wollte er anhalten, um Valentina aus ihrem dunklen Gefängnis zu befreien. Doch dann sagte er sich: Laß das sein, Micha. Noch ist die Gefahr nicht vorbei. Erst wenn wir Karel und Irena eingeladen haben, wenn wir in den Wäldern untergetaucht sind, dürfen wir ein paar Stunden aufatmen. Dann beginnen die Sendungen von neuem, bis sie uns wieder entdeckt haben … und dann wieder die Flucht, immer kreuz und quer durch das Land, immer gejagt. Vogelfreie, die man abknallen darf … so wird es weitergehen, tagelang, wochenlang, wer weiß das jetzt? Es wird nie Ruhe sein, solange der Russe im Lande ist. Es darf nie Ruhe sein, denn die Wahrheit ist das einzige, was uns geblieben ist. Das Wort. Die Stimme. Wenn sie verklingt, ist das Vaterland endgültig gestorben.
    Kurz vor dem Einbiegen in die Staatsstraße 5 sah er die Kontrollen der Russen. Fünf Motorräder, Soldaten in Pelzjacken. Auf den Köpfen die Lederhelme. Sie hielten jeden Wagen an, der aus der Stadt kam und in die Stadt hineinwollte. Sie kontrollierten die Papiere, blickten in die Kofferräume. Die Tschechen beschimpften sie, aber das nutzte wenig. Alles wurde an die rechte Seite dirigiert und untersucht.
    Lucek biß die Zähne aufeinander. Jetzt, dachte er, jetzt! Ob sie sofort schießen, wenn ich nicht anhalte?
    Er war ganz ruhig, nicht eine Spur von Angst war in ihm. Merkwürdigerweise fiel ihm sein Vater ein. »Es gibt einen Mut, der genau das Gegenteil dessen erreicht, was er bezwecken wollte«, hatte er einmal zu Micha gesagt, als er durch Freunde erfuhr, daß sein einziger Sohn einer der Führer der rebellischen Studenten war. »Die Lauten im Lande sind nicht immer die besten … viel nützlicher sind die Schweigenden, die etwas tun. Auf den Barrikaden kämpfen, das macht einen heroischen Schädel. Ein intelligenter Mensch prügelt sich nicht … seine Waffe ist der Geist!«
    Lucek drückte den Fuß auf das Gaspedal. »Es geht nicht anders, Vater«, sagte er halblaut. »Hier nützt kein Geist mehr.«
    Der Wagen schoß vorwärts, schleuderte auf die Chaussee und näherte sich mit aufgeblendeten Scheinwerfern wie ein urweltliches Ungetüm den beiden Sowjetsoldaten, die sofort mit ihrer Kelle winkten und nach rechts zeigten.
    Sekunden später war Lucek durch. Die Rotarmisten warfen sich zur Seite, im letzten Augenblick, bevor der Lastwagen mit den Rindsköpfen und Schinken sie ergriff, sie kugelten über die Straße und schrien gleichzeitig: »Stoj! Haltet sie

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