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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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hinter der Stadtgrenze noch einmal fragen mussten. Am Stamm einer mächtigen Eiche lehnte ein altes Weib, schwarz und grau bestrumpft, neben sich einen Leiterwagen voller Holzmodeln, Schnitzwerk und Steingutzeug. Sie sah aus wie eine Hexe, nickte Barbara aber freundlich zu, die sie mit großen Augen anschaute.
    »Schon recht, wie Ihr fahrt«, sagte sie, ohne dass Bernward sie angesprochen hatte. »Grad auf dem Hauptweg bleiben und auf die Wegsteine schauen. ‘s Kloster liegt, wo unser Aubächle auf den Tennenbach trifft.«
    »Sie kann wohl Gedanken lesen?«, rief Bernward überrascht.
    »Ein wenig, Herr Justitiar«, entgegnete die Alte. »‘s ist nicht schwer, Euch dies am Gesicht abzuschau’n. Sonst fahrt Ihr so langsam nicht, wie?«
    Bernward lachte kurz auf, blickte Barbara an und sagte: »Wenn ihr Wort wohlfeil ist? Wir wollten schon was finden in ihrem Karren.«
    »Ich bin keine von den Zigeunern, wenn Ihr dies meint«, antwortete die Alte. »Aber wenn Eure Liebste eins von den Modeln aussuchen mag? ‘s wär eine Freud! Sie weiß ums Geld. Ein paar Kreuzer mehr und gleich ist die Supp’ fett.«
    »Sie redet, dass man neugierig wird«, sagte Barbara. »Modeln hab’ ich aber genug. Vielleicht was anderes?«
    »Einen Mostbecher, Madame!«, rief die Alte und wühlte einen hervor, der denen aus Barbaras Haushalt fast vollkommen glich. Verblüfft suchte Barbara nach ein paar Kreuzern. Die Alte wurde ihr unheimlich.
    Bernward dagegen rief vergnügt: »Ich mag aber keinen Most. Trink’ lieber Wein. Aber bitte, wir müssen weiter.«
    »Ihr kommt nicht zu spät«, sagte die Alte und steckte die Münzen in einen roten Ledersack. »Wolltet Ihr nicht grad was geweissagt kriegen? Was haltet Ihr hiervon: Euch wird im Kloster ein Wunsch erfüllt, Eurer Liebsten aber nicht.«
    »Das ist ein Rätsel, keine Prophezeiung«, stellte Bernward fest. »Und auch wenn’s stimmt, ich wünschte eigentlich Schöneres zu hören.«
    »‘s ist kein Firlefanz, was ich sage«, erwiderte die Alte. »So sicher Ihr Eurer Liebsten geholfen habt, so sicher werdet Ihr es wieder tun. Und Euch, Madame, sage ich, so wahr Ihr einst im Kloster gewesen seid, so wahr werdet Ihr dort denjenigen begegnen, denen Ihr dies verdankt.«
    Barbara schrie entsetzt auf, riss Bernward die Zügel aus der Hand und trieb das Pferd zum Galopp. Vergeblich flehte Bernward sie an, diese Worte nicht ernst zu nehmen, denn von Tennenbach habe diese Hexe nichts geredet. Doch Barbara schüttelte den Kopf und weinte. Erst als sie ein ziemliches Stück in den Schwarzwald hinein waren, beruhigte sie sich und ließ die Zügel wieder locker. Dann nahm sie den Mostbecher und schleuderte ihn mit aller Kraft gegen eine Tanne. Als er zerbarst, bekreuzigte sie sich und fiel Bernward um den Hals.
    14
    Sie könnten der Prophezeiung ein Schnippchen schlagen, meinte Bernward, als hinter einer Biegung des Aubaches die Pracht der Klosteranlage durch die Tannen schimmerte. Doch Barbara entgegnete trotzig, jetzt erst recht. Weil die Hexe eigentlich kein Unheil geweissagt hatte, wolle sie sich der Überraschung stellen, auch wenn sich ein hässlicher Kobold und eine böse Fee als ihre Eltern entpuppen würden und Maurus Berier ihr von Johannes höchstpersönlich als Luzifer vorgestellt werden sollte. Und außerdem: Wie sollte sonst sein Wunsch erfüllt werden? Dass dieser in Erfüllung gehe, dürfe sie am allerwenigsten verhindern. Schließlich stehe sie jetzt auch für die Zukunft in seiner Schuld!
    An der Klosterpforte empfing sie kein Dämon, sondern ein freundlicher Mönch, der sie, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt war, in den Gästetrakt führte. Bruder Paul, so stellte er sich vor, schloss die Tür zu einem geräumigen Zimmer mit großem Bett und Blick auf Kreuzgang und Kapitelsaal auf. Aus einem Wandschrank holte er das Gästebuch und bat um die nötigen Eintragungen. Auf der ersten Seite stünden, sagte er lächelnd, die bitte zur Kenntnis zu nehmenden Unkostenbeiträge. Sie dürften sie gerne im voraus entrichten, bei ihm an der Klosterpforte. In einer halben Stunde käme ein Bruder, der sie in den Krankentrakt geleiten würde. Von ihm würden sie alles Weitere erfahren.
    »Sehr mönchisch alles«, spottete Bernward, als Bruder Paul gegangen war. »Eine Herberge der besseren Art. Und die Preise sind alles andere als von mönchischer Schlichtheit. Die Zeiten, dass ein von Gott Gezeichneter wie Gregor hier noch aufgenommen werden konnte, scheinen auf ewig vorbei zu

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