Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
anderen Kunden zwar denselben Ekel bekundet und beschrieben, als sie in den vergangenen Tagen den van Bergenschen Mousseux gekostet hatten, aber kein einziger wäre willens gewesen, Vergiftungserscheinungen auf Grund eines manchmal sogar ‘fassungslos neugierigen Schlucks’ zu Protokoll zu geben. Folglich könne das Erbrechen der Mamsell Schlecker nicht aus einem angenommenen Gift begründet werden. Wie bei den anderen Tafelgästen sei vielmehr die gegen Mittag zu sich genommene Mahlzeit dafür verantwortlich zu machen, mit der Ausnahme, dass der empfindsameren Natur des Weibes schlichtweg der Ekel aufgestoßen sei. Dies wäre das eine.
Das andere beträfe die grundsätzliche Logik. Denn ein Gift, das sich von vornherein durch seinen Geschmack als Gift zu erkennen gebe, tauge, wie jeder einsehen werde, kaum dazu, sich missliebiger Menschen zu entledigen. Der wirkliche Giftmischer sehe darauf, nichtriechende und nichtschmeckende Tränkleins, Pulver und dergleichen zu verfertigen, wie durch die Geschichte bewiesen werde. In dieser Hinsicht müsste man Madame van Bergen also den Rang eines Vernunftmenschen absprechen, eine Annahme, die dann die vorsätzlich geplante Vergiftungsabsicht schlichtweg ad absurdum führe.
Das Urteil wurde einstimmig gefasst. Barbara van Bergen, ordentliche Bürgerin der Stadt Burkheim und Witwe des ehrbaren Kaufmanns Cees van Bergen, wurde vom Vorwurf der vorsätzlichen Giftmischerei freigesprochen. Dreißig Tage hatte sie Zeit, die angebotene Entschädigung den Klägern zukommen zu lassen. Weiterhin durfte sie als Winzerin und Händlerin tätig sein, mit der einzigen Auflage, alle in ihrem Besitz befindlichen Mousseux-Flaschen weder in den Handel zu bringen noch zu verschenken. Darüber hinaus musste ein von den Trauben dieses und der folgenden Jahre hergesteller Vin mousseux in Zukunft zwei Jahre lagern, wobei sie vor dem Verkauf von jeder Verschnittart eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der zuständigen Weinkommission einzuholen hätte. Die Entschädigung für die zehn in Breisach unter Arrest verbrachten Tage wurde mit den Prozesskosten verrechnet. Kläger und Beklagte trugen sie je zur Hälfte. Johann Litschgi leistete keine Abbitte, aber Barbara war wieder frei. Dieser dreiundzwanzigste Geburtstag war bislang der aufregendste ihres Lebens gewesen.
13
Schon am nächsten Tag fuhr sie mit Bernward nach Tennenbach. Grund war ein von Maurus Berier unterzeichneter Brief, den Bernward ihr nach Rücksprache mit Riecke vorenthalten hatte. Johannes war so krank, dass das Schlimmste zu befürchten stand. Barbara entschloss sich sofort. Diesmal würde sie ihn besuchen! Auch der engstirnigste Abt könnte nichts dagegen haben, wenn das Mantelkind seinen Zieh-Vater noch einmal sehen wollte.
Bernward war nicht sonderlich begeistert, denn natürlich hätte er viel lieber ein paar heimelige Tage verbracht und den Ausgang des Prozesses gefeiert. Außerdem hoffte er, Barbara in dieser Zeit das Jawort abzuringen. Es tröstete ihn wenig, dass sie noch den Grund anführte, sie hoffe von den arzneikundigen Mönchen eine Salbe für den unangenehm juckenden Ausschlag an der zartesten Stelle ihres rechten Schenkels zu bekommen. Während ihrer letzten Regel hatte er sich gebildet, ein grauschrundiger Fleck, nicht groß, aber lästig. Dafür von eigentümlicher Gestalt. Als hätte es der kranken Haut gefallen, in Form eines Eichenblattes zu welken. Besonders bei ganz bestimmten Spielchen störe er, sagte sie vieldeutig. Ob der Herr Justitiar dies verantworten könne? Liebe mache halt blind, entgegnete Bernward nur und ließ sich bis Tennenbach vertrösten.
Unterwegs lähmte die Hitze jedes ausführliche Gespräch. Dazu kam, dass in Barbaras Gemüt die Ereignisse der letzten Tage zu einem Kloß zusammengeballt waren, der sich nicht in einem Stück herauswürgen ließ. Sie müsse alles erst langsam zerkauen und die Bröckchen einzeln ausspucken, erklärte sie Bernward. Dazu sei sie aber zu matt. Außerdem ginge dies nur mit scharfen Zähnen, ihre seien jetzt aber so stumpf wie Holzpflöcke. Bis Emmendingen, wo sie am frühen Nachmittag das Untere Tor passierten, unterhielt sich jeder mit dem Rumpeln des Wagens, begrüßten sie stumm jedes Fleckchen Schatten. Träge winkte man sie in Bahlingen durch die Zollstation, schon von weitem roch man den Schnaps.
In einer Schankstube machten sie Rast, tränkten das Pferd und erkundigten sich nach dem Weg. Doch die Beschreibung war so umständlich, dass sie kurz
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