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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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sein.«
    »Jetzt verstehe ich, warum Johannes von Abt Leopold immer mit solcher Hochachtung gesprochen hat«, sagte Barbara und schaute auf den Kreuzgang, wo sich eine Gruppe von Mönchen offensichtlich angeregt unterhielt. Einer gestikulierte, die anderen lachten. Zwei Brüder legten demonstrativ die Hände zusammen, als die Uhr schlug.
    »Drei Uhr«, sagte Barbara. »Gebetszeit der Non. Dies ist die letzte der kleinen Horen. Eigentlich müssten sie jetzt in den Chor gehen, um das Psalmpensum abzubeten.«
    »Sie tun dagegen grad so, als verabredeten sie sich zum geselligen abendlichen Beisammensein«, sagte Bernward. »Es würd’ mich nicht wundern, wenn Maurus Berier uns heute Abend zur Theatervorstellung einladen würde. Oder zu einem Konzert. Die Zisterzienser sind heute berühmt dafür. Vormals waren es Bauleute, jetzt sind es Musikanten.«
    »So wahr werdet Ihr dort denjenigen begegnen, denen Ihr dies verdankt«, murmelte Barbara die Prophezeiung der Alten vor sich hin. »Dies können doch nur meine leiblichen Eltern sein, oder?«
    »Aber was heißt dann, Euch würde ein Wunsch nicht erfüllt werden? Nimm an, dies träfe ein. Wenn du jetzt wünschst, deine vermeintlichen Eltern zu sehen, sie zu umarmen oder aus Rache umzubringen, so erfüllte sich dies gar nicht. Das eine hebt das andere auf. Das ist nichts anderes als Hexenlogik. Damit behält sie recht, nur wir können es nicht überprüfen. Oder hattest du einen anderen Wunsch?«
    Barbara lachte hellauf und ließ sich aufs Bett fallen. »Mein Justitiarius! Dass ich Johannes noch unter den Lebenden antreffe, hoff’ ich, wünsch’ ich! Und da er noch lebt, hat die Hexe gelogen.«
    »Bleibt nur noch mein Wunsch«, sagte Bernward und legte sich neben Barbara. »Wehe dieser Alten, wenn er nicht in Erfüllung geht! Eigenhändig schnüre ich sie dann auf ihren Leiterwagen und versenke ihn in der Elz.«
    »Er geht ganz sicher in Erfüllung, mon cher «, hauchte Barbara und schloss die Augen.
    Bruder Hans räusperte sich und bat um Vergebung. Im Eifer habe er vergessen zu klopfen, in Gedanken an Bruder Johannes, weil der jetzt voller Ungeduld auf den ihm gemeldeten Besuch warte.
    »Aber natürlich, Bruder«, sagte Barbara so unschuldig wie möglich. »Wisst Ihr, längst habe ich mich damit vertraut gemacht, dass mich einige Eurer Brüder in statu nudo bewundert haben. Wie könnte ich da jetzt böse sein?«
    Bruder Hans schwieg betreten, Bernward aber hatte Mühe, sich zu beherrschen. Er half Barbara auf, dann verbeugte er sich vor dem Mönch und sagte: »Ich heiße Bernward. Bernward Gutrechter, Justitiar. Wir wären untröstlich, würden wir Unruhe in Eure Abgeschiedenheit bringen.«
    »Aber ganz und gar nicht«, wiegelte Bruder Hans ab. »Uns Zisterziensern ist die Gastfreundschaft so heilig wie Euch die Paragraphen. Aber erst der Neubau unter Vater Leopold, Gott hab’ ihn selig, gab uns die Möglichkeit, dies angemessen unter Beweis stellen zu können. Aber wir wollen Bruder Johannes nicht warten lassen. Im Anschluss dürft Ihr gerne bei Bruder Paul das Geschäftliche erledigen. Bitte.«
    Bruder Hans ließ ihnen den Vortritt. Wie ein Kavalier bei Hof wies er dezent und mit sanfter Stimme auf die einzuschlagende Richtung, öffnete elegant von hinten die Türen und geleitete die Tennenbacher Gäste auf die Infirmaria, den Krankentrakt des Klosters.
    Johannes saß aufrecht in seinem Bett. Kaum hatte Barbara ihn zwischen den anderen Kranken erspäht, lief sie wie in ihrer Kinderzeit los und warf sich in seine Arme. Bestürzt stellte sie fest, dass sie einen völlig Abgemagerten an sich drückte, dessen Hände sie kaum mehr auf ihrem Rücken spürte. Und mitleidlos erinnerte sie Bruder Hans’ Räuspern daran, wo sie sich befand. Johannes sah elend aus, aber seine tief eingefallenen Augen leuchteten.
    »Barbara«, sagte er leise. »Jetzt geht es mir wie Simeon. Dich noch einmal umarmen zu können, dies ist genug.«
    »Aber mir nicht«, sagte Barbara hilflos. »Und du weißt dies. Nächstes Jahr musst du mich wieder besuchen. Versprich es!«
    »Ich versprech’, dass ich wieder zu Kräften komm’«, sagte Johannes mit einem Lächeln. »Mehr wäre anmaßend. Anderes ist viel wichtiger, die Tennenbacher Ohren hören alles, weißt du?«
    Barbara lief rot an, aber auch Bernward blickte überrascht. Beide hatten sie zwar damit gerechnet, aber so unvermittelt auf die letzten zwei Wochen angesprochen zu werden, ließ sie verunsichert schweigen.
    »Selbst ein Mantelkind

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