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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Schreck gekriegt?«
    »Er sah nicht aus wie der im Baum, wenn du das meinst«, sagte Jacob. »Aber Valentin hat Maultrommel gespielt, so gut wie Hochwürden. Ich sollte tanzen. Hab’ ich auch gemacht, mit der van Bergenschen im Arm. Wie findest du das?«
    »Du glaubst wohl, die könnte dich dein Bein vergessen machen?« Maria lachte kurz auf. »Wenn’s den Mannsbildern schlecht geht, träumen sie von frischem Blut. Können die Beine nicht mehr, galoppiert’s im Kopf.«
    »Und ihr hoffentlich in die Küche«, erwiderte Jacob unwirsch. »Es schlägt auf eins, Bernhard kommt.«
    Jenne erhob sich, um die Arznei fortzuräumen. Ihre Rechte war vom Eichenwasser rotbraun verfärbt. Sie brannte leicht, schien auch unruhig zu zucken. Jenne kannte dieses Gefühl, seit sie Jacobs Wunde mit diesem Wasser auswusch. Und sie genoss es. Vielleicht war ja etwas dran, an dem, was die Alten sagten: Ein Fluch lebt auch im Geringsten fort. Deshalb raspelte sie mit Freude Holz und Borke der Rieseneiche in das Gemisch vom Kräuterweib, früh morgens, wenn alle noch schliefen.
    20
    Wie weit reichten die Kräfte, um Tag für Tag die Schmerzen wegzudrücken? Wie lange noch könnte er die Axtwunde wie ein bald verheiltes Malheur verharmlosen? Und wie lange würde er noch den Starken spielen können? An diesen drei Fragen hing alles, ihnen endlich ehrlich die Stirn zu bieten, war unausweichlich geworden. Jacob wusste, heute hatte er sich zu stellen. Denn wenn es nicht schlimmer wurde, so auch nicht besser. Dies nicht zuzugeben, sich nichts anmerken zu lassen, den Unerschütterlichen zu spielen, vergällte immer mehr Freude und machte das Leben bitter, nicht einmal mehr Most und Tabak schmeckten.
    Hilflos lag Jacob in seinem Bett und haderte mit sich selbst. Früher als sonst war er aufgewacht, mit den seit Wochen bekannten Schmerzen, die morgens immer am schlimmsten waren. Heute hatten sie ihn besonders gepackt, aber trotzdem zwang er sich, nicht laut zu stöhnen. Denn im Zimmer nebenan lag Maria, und am allerwenigsten wollte er sich vor ihr diese Blöße geben.
    Zum Glück war Jenne schon auf. Die Hühner waren zu hören, und das Brüllen der Kühe, die gemolken werden wollten, hatte gerade aufgehört. Sie würde also gleich vorbeischauen und ihm aufhelfen, sonst würde er ins Bett nässen. Gern tat sie es jetzt. War neugierig und lauernd. Weil sie jeden Morgen hoffte, dass es ihm ein Stück dreckiger ging. Aber bis jetzt hatte er sie im Griff.
    Mit Maria war es anders. Sie las zwar jeden Morgen brav aus ihren Büchern vor, aber ihre spöttischen Blicke, ihre weibsgiftigen Spitzen und vor allem der höhnische Ton machten ihm zusehends zu schaffen. Vor nichts hatte Jacob mehr Angst, als dass sie ihm eines Tages ins Gesicht sagte: Was du verzehrst, bringst nicht mehr ein, Krüppel! Bloße Last bist geworden, Krüppel! Gehörst auf den Anger, Krüppel! Aber was half das jetzt! Soweit durfte es nicht kommen, und da gab es nur einen Ausweg. Dreiundzwanzig Jahre lang hatte Maria einen Fehler gemacht, jetzt würde er sich auszahlen. Als nächstes bräuchte er nur noch ein wenig hetzen, ein bisschen den armen Alten spielen. Maria würde bald nicht mehr obenauf sitzen. Lief alles nach Wunsch, würde sie den Rest ihres Lebens möglicherweise sogar bangen müssen. Zwar gehörte ihr ein Viertel Rebland. Doch wer bewirtschaftete es? Geld, außer ihrer Mitgift, hatte sie keins.
    »Sag Maria, ich hätte mit ihr zu reden«, fuhr er Jenne an, nachdem sie ihm aufgeholfen hatte. »Nach dem Frühstück. Und du scherst dich in der Zeit sonstwohin.«
    »Das hab’ ich, so lang ich leb’, getan, Jacob«, erwiderte Jenne fest. Jacob grunzte abweisend und stieß seine Magd sofort von sich, als er auf den Beinen war.
    »Kann ich was dafür?«, rief sie ihm nach. »Ich wollt’, dir …«, doch sie schluckte ihre Verwünschung herunter. Noch war Jacob zu stark. Mit einer Hand hatte er sie damals festgehalten. Und wehe diese Hand schlug zu.
    21
    »Ich kann es mir denken, was du sagen willst«, sagte Maria, als Jenne sich demonstrativ mit einer Aufzählung, was sie jetzt alles machen und wohin sie gleich gehen würde, verabschiedet hatte. »Und du weißt, dass ich nicht jubeln werde. Aber deshalb willst du’s ja tun.«
    »Ich hab’ mich über- und die Wunde unterschätzt«, entgegnete Jacob. »Was willst du? Glaubst du etwa, ich seh’ nicht, dass die Schmerzen mir das Gesicht von Tag zu Tag mehr gerben? Wie kann der noch Herr sein, der das Haus und Gut belastet,

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