Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
nichts mehr zuwege bringt? Und bin ich nicht alt genug? Hast Angst vor ihm?«
Maria schwieg. Es war eingetreten, was sie sich in den letzten Jahren während trüber Stunden in düsteren Farben ausgemalt und ebenso oft wieder verdrängt hatte. Von Jahr zu Jahr war mehr damit zu rechnen gewesen. Dass es jetzt urplötzlich soweit war … Nach kurzem Nachdenken wurde ihr schmerzlich bewusst, wie selbstverständlich dies die Fortsetzung ihres an schlimmen Ereignissen reichen Lebens war. War Jacob auch ein Teufel, in den Jahren ihrer Ehe hatte er sich als berechenbar erwiesen. In seiner Hölle hatte jeder und jedes seinen Platz. Wenn er Bernhard alles übergeben würde, war diese Sicherheit dahin.
Aus seiner Sicht tat er natürlich recht. War Bernhard der neue Hausherr, wäre er aller Verantwortung enthoben und könnte sich auf dem Altenteil ausruhen. Das zerhauene Bein war ein unanfechtbares Argument. Aber was passierte mit ihr? Sie war nur die Stiefmutter, eine eingeheiratete dazu. Und, mütterlich war sie zu Bernhard nie gewesen. Sie hatte ihn großgemacht, nicht mehr und nicht weniger. Liebe hatte sie ihm keine geschenkt. In den letzten Jahren waren sie immer öfter wegen seiner vielen Weibergeschichten aneinandergeraten. Dass dabei noch nichts von Belang passiert war, verdankte Bernhard den Ermahnungen Jacobs. Die Hörner solle er sich ruhig abstoßen, hatte der Vater ihm zugestanden. Von ihm aus könne er so viele Weiber pudern, wie auf der Welt rumliefen, aber er solle aufpassen, sich beherrschen, seinen Segen dort spenden, wo die Natur ihn nicht bevorzugt aufsauge. Bernhard hatte stets gelacht. Lieber viele Treffer am Rand der Scheibe als einen in der Mitte, er habe verstanden. Sie könnten beide ruhig schlafen.
»Es kommt nicht oft vor, dass du so lang den Mund hältst«, sagte Jacob. »Aber glaubst du wirklich, ich tu es nur, um dir zu schaden? Es wird Auflagen geben. Tust grad so, als würd’ er dich aus dem Haus stoßen.«
»Auflagen? Was willst du ihm Auflagen machen, wenn er drauf kommt, dass du gar keine andere Wahl hast?«, sagte Maria und stand auf, um sich noch etwas Brot zu holen. »Für ihn bist du weidwund! Wenn er den gleichen Zug hat wie du, wird er’s lächelnd vorbringen. Wahrscheinlich wird er aber erst schauspielern. Sich alles überlegen. Und bist du nicht mehr der Hausherr, dann stellt er die Bedingungen.«
Jacob machte eine wegwerfende Geste. Er sei noch Manns genug, um mit seinem Sohn fertig zu werden. Außerdem habe nicht er das schlechte Verhältnis zu ihm, sondern sie. Dass sie Bernhard das alles zutraue, beweise, wie sehr sie sich in die Rolle der Stiefmutter gefunden hätte.
»Die Auflagen sind, Hochzeit in spätestens einem Jahr, das Weib muss mir genehm sein, und vorbehaltlich ist alles außerdem. Besiegelt wird’s erst dann.«
»Ich hab’ nicht die Macht, nein zu sagen, Jacob«, sagte Maria bitter. »Aber zwei Dinge sind gerecht. Er erfährt die Wahrheit vor der Hochzeit, dass ich bis dahin erkenne, woran ich bin, und mein Altenteil wird gegen mein Viertel Rebland verbrieft. Glaubst du etwa, ich nehm’ ohne Sicherheit die Schwiegertochter im Sack? Ihr drei gegen mich, das ist doch dein Ziel, oder?«
Aufgewühlt herrschte sie Jacob an, der sich unbeeindruckt ein Glas Most einschenkte, es in einem Zug leerte und sich dann an der Tischkante hochstemmte. Erst schaute er Maria unbeteiligt an, dann ging er um den Tisch und stellte sich hinter sie. Mit einer Hand stützte er sich auf die Stuhllehne, mit der anderen klopfte er ihr auf die Schulter.
»Ich hab` das Zeug zum Intriganten, Maria«, sagte er sinnend. »Aber solch gesottene Brühen kann sich nur ein Weib ausdenken. Ich werd´ es ihm Happen für Happen servieren. Du kannst beruhigt sein. Aber jetzt ist es geredet.«
22
Vor Freude packte Bernhard noch einmal so kräftig zu. Jeden Rebstecken sah er jetzt als Eigentum an, und jeden Moment entdeckte er scheinbar noch nie gesehene Kleinigkeiten an Haus und Reben. Die Mängel an den Wirtschaftsgebäuden stachen jetzt dreifach deutlich in seine Augen, Gerüche wurden plötzlich anders wahrgenommen, Geräuschen größere Aufmerksamkeit geschenkt. Nie hatte er daran gedacht, aber jetzt war sein Geist in Bewegung gekommen, und er malte sich aus, was unter seinem Patronat alles verbessert werden würde.
Mit den Auflagen war er fürs erste einverstanden. Schon länger hätte er ein hübsches Töchterchen im Auge, hatte er erklärt. Es mit ihr ein Leben lang auszuhalten, wäre
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