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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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überspringen lassen. Jetzt hatte sie sich in etwas verstrickt, aus dem es keinen Ausweg mehr gab. Sie war das Opfer ihrer naiven Freundlichkeit geworden. Es schauderte sie vor Bernhards kraftstrotzender Unbeherrschtheit. Vor Scham wurde sie rot. Ein Alptraum, wenn er ihre ungezügelten Stunden preisgeben, sich mit ihr als bislang feinster Eroberung schmücken würde.
    »Du sagst nichts?«, begann Maria zaghaft von neuem. »Sicher, was hast du mit dieser Familie zu schaffen? Kennst nur Hass und Gewalt. Aber …«
    »Wie denn!«, rief Barbara ungeduldig. »Ich habe zwar mit der Schauspielerei angefangen, aber mir scheint, dass die Schnitzers nur Geschmack an Tragödien finden. Bis jetzt spielte ich hier nur den Statisten. Heute war’s schon eine Nebenrolle! Was ist das nächste?«
    »Ein Logenplatz in Burkheim, wenn ich irgendwann an deiner Tür ein Almosen erbettle«, sagte Maria zornig. »Ich hoff’ dann nur, Riecke gibt dir vorher Bescheid!«
    »Wie nett«, sagte Barbara dünkelhaft. »Den Schlussakt werde ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Den ersten und zweiten Akt hast du ja schon erzählt. An den dritten kann ich mich leider nicht erinnern. Dafür durfte ich im vierten mitspielen. Es ist ein mittelgutes Stück. Wie heißt es noch gleich? Ach ja, Maria Schnitzer. Und der Autor? Selbstverständlich Monsieur Schick-sahl.« Barbara sprach so verletzend, wie sie konnte, wippte gelassen mit dem Fuß und blickte Maria ablehnend an.
    Maria sagte keinen Ton. Blieb wie festgenagelt stehen und schaute über Barbara hinweg auf die Wand. Wie eine überspannte Saite war ihr Zorn gerissen. Ein Meer von Enttäuschung und Schmerz brandete in ihrer Seele auf, ließ sie zittern und langsam zusammensacken. Nur einmal versuchte sie, ihr Weinen, wie es die Kinder tun, mit aufgerissenem Mund zu verschlucken. Doch es stieg mit einer solchen Macht auf, dass sich ihrem am Boden kauernden Leib ein Schluchzen entrang, das nur eine erbärmlich verzweifelte Seele hervorpressen konnte. Marias Körper zerknäuelte zu einem bebenden Haufen, der schreien wollte, dem das Leid aber nur ein Röcheln zugestand. Aber am entsetzlichsten war, wie dieser Haufen Mensch sich zur Seite neigte, umfiel und das Schluchzen plötzlich in seelenloser Stille erstarb.
    Aschfahl, mit feuchtkalten Händen und zitterndem Mund saß Barbara auf dem Kanapee. Sie wagte kaum zu atmen. Reuegefühle und ein bisher ungeahntes Mitleid zerrten an ihr. Dazu kam eine wachsende Angst, je länger Maria so leblos auf der Seite lag. Eine bedrückende Weile lang hoffte sie auf ein Zeichen, doch Maria rührte sich nicht. Erst nachdem die Stille unerträglich geworden war, riss es Barbara aus ihrer Lethargie. Verzweifelt warf sie sich über Maria, streichelte sie und stammelte Entschuldigungen.
    »Versteh doch«, flüsterte Maria heiser. »Er ist nicht mein Sohn. Er ist doch nur Jacobs Kind. Er wird mich hassen.«
    24
    Seit dem Besuch bei Maria war Barbaras Stimmung niedergedrückt. Noch den ganzen Morgen hatte sich Riecke ihrer melancholischen Madame gewidmet, sie mit kleinen Häppchen und viel Kaffee bemuttert, vor allem aber in einem fort geredet und getröstet. Immer wieder wollte Barbara hören, dass ihr überheblicher Angriff gerechtfertigt und verständlich gewesen sei, dass sie sich nichts vorzuwerfen habe, weil sie ja im Frieden auseinandergegangen seien, und dass sie alles wiedergutmachen würde, wenn Bernward Marias Wunsch nach vertraglicher Regelung ihres Altenteils in die Hände nähme. Riecke hatte Barbaras wundes Gemüt aber auch gesalbt, indem sie Marias Ängste nach allen Seiten ausdeutete und immer wieder das Grauen beschwor, das einen Menschen an der Seite von zwei solch harten Männern erwartete. Deshalb solle die Madame dankbar sein für solch leuchtende Gestirne wie Cees und Bernward, sich freuen, nach vorne schauen und vor allem wieder in der Arbeit Trost finden.
    Barbara saß trotzdem noch lange klamm in ihrem Keller, blickte auf ihre Flaschen und Fässer wie etwas Fremdes und wunderte sich, wie sie hier unten vor kurzem noch Trauben gepresst hatte. Riecke hatte in allem recht! Dies sagte ihr der Verstand, nur, im Gefühl wollten ihre Worte nicht richtig festankern. Und dies lag vor allem an der Enttäuschung darüber, dass Maria alle Spekulationen auf einen Ehebruch ihres Feldwebels ausgeräumt hatte. Stattdessen wusste sie nun um Bernhards Herkunft, wusste von der schweren Geburt, dem langen Erschöpfungsschlaf und Marias so entsetzlichem Erwachen.

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