Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
warmer Haut preis. Und je mehr er sich diesem Spiel hingab, umso stärker packte ihn die Gier – selten hatte er derartige Lust nach einem Weib verspürt.
Die Magd, die vor ihm rücklings auf einem mit Hühnerkäfigen und Strohballen vollbepackten Ochsenkarren hockte, hatte leider nichts Begehrenswertes an sich. Ihr gegen die Strohballen gestützter Körper mit den auf den Karrenboden gestemmten ausgebreiteten Beinen lud zwar zu wüsten Phantasien ein, aber die Stirn war pickelig, und im linken Mundwinkel schwärte ein braungelber Grind. Hände und Arme waren dreckig und bis zu den Ellenbogen mit aufgekratzten Schrunden gepflastert. Davon konnte weder das ordentlich geknotete blonde Haar ablenken noch der leidlich saubere Aufputz. Bei näherem Hinsehen gewahrte Jacob die Flicken auf Schürze und Rock. Am roten Schnürmieder war an den Ösen an einigen Stellen sogar der Stoff eingerissen. An den groben sackleinenen Strümpfen hingen Kotköttel und unter den Holzpantinen klebte mistiges Stroh.
Außer Jacob waren es nur die beiden Torwächter, die sich von dem Treiben nicht beeindrucken ließen. Von seinem Aufzug schien indes etwas Achtunggebietendes auszugehen. Denn als er endlich die Tordurchfahrt erreicht hatte, bequemte sich einer der Wächter zu einer strafferen Haltung. Jacob dankte mit einem leichten Kopfnicken. Im gleichen Augenblick schlug es sechs. Einen Atemzug später läutete es vom Glockentürmchen des Tordaches zur Wachablösung. Jacob bekam noch mit, wie hinter den Fenstern der Torstube zwei Gestalten vorbeihuschten, und nach einem kurzen Blick auf den löwenähnlichen Schreckkopf, der am Scheitel der Durchfahrt die bösen Geister bannen sollte, passierte er endlich das Tor.
Um im Gedränge auf dem Marktplatz keine Zeit zu verlieren, bog Jacob vorher, auf der Höhe der Stadtkirche, in eine Seitengasse ab. Um den Weg zum Kloster zu finden, würde er eh noch ein paarmal fragen müssen – so viel war aber klar, erst einmal musste er im Mühlenviertel über den Mühlbach.
Fein hat sie sich das ausgegrübelt, die Colette, dachte er, ärgerte sich aber, dass ihm in der Aufregung der letzten Nacht schlichtweg entfallen war, ob sie Tennenbach oder Wonnental gemeint hatte. Gesprochen hatte sie von beiden Klöstern, denn beide gehörten zum Orden der Zisterzienser – welches aber war davon noch mal das Frauenkloster? Wonnental lag südlich von Kenzingen und Tennenbach nördlich von Emmendingen – das blöde Luder hatte aber immer von Bahlingen geredet, weil von da aus beide ungefähr gleich weit entfernt wären. Und über dies’ verfluchte »gleichweit« hatte er das Eigentliche vergessen.
Woher wusste sie überhaupt so genau, wo die Klöster lagen? Trat sie mit ihrer Truppe etwa auch vor Nonnen und Mönchen auf? Damit die einmal was zu lachen hätten bei ihren frommen Geschäften? Möglicherweise hatte Colette ja richtig Erfahrung mit dem Kindaussetzen? War sie einmal dazu verdammt gewesen, die Segnungen eines Abtes bei den Liebenden Schwestern loszuwerden? Richtig gallige Scherze ließen sich da ausdenken, aber die halfen ihm jetzt leider auch nicht weiter. Längst hatte er sich für Tennenbach entschieden, und im Grunde war es ihm gleichgültig, ob eine Nonne oder ein Mönch das Kind finden würde. Los war er es dann auf jeden Fall und Rat wüssten sicher beide. Schließlich war noch keiner im Kloster verhungert.
Es war an der Zeit, wieder nach dem Weg zu fragen. Stadt und Mühlbach lagen bereits in seinem Rücken. Gerade hatte ihm zwar ein Hausknecht, ohne stehenzubleiben und auch nur einen Ton zu antworten, mit einer Armbewegung klargemacht, er solle diese Richtung beibehalten, aber Jacob war misstrauisch. Möglicherweise, dachte er, war dieser Bursche taub oder krank im Kopf. Dann könnte seine Armbewegung weiß Gott was bedeuten. Von einem Irren irgendwohin in den Schwarzwald geschickt zu werden, wäre fürwahr ein schlechtes Omen.
»Schon recht, Herr Wirt«, erwiderte ein altes Bauernweib mit einem Handkarren voller Holz- und Tonwaren auf sein Frage. »Will er dort den Wein verkosten? Eine dreiviertel Meile muss er dann aber noch warten. War er noch nie da? Schön prächtig schaut es da jetzt aus. Alles haben sie neu aufgebaut nach dem Brand. Nur die alte Kapelle haben sie stehengelassen.«
»Ja, sicher«, entgegnete Jacob gereizt, »aber woran kann ich mich halten? Es gibt doch bestimmt einen Haufen Abzweige bis dahin!«
»Das schon«, sagte das Weib, »aber es gibt nur einen Hauptweg und
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