Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
der ist breiter als die anderen. Auf dem muss er bleiben. Die Hauptsache, Er trabt nicht in den Herdweg, der um den Eichberg führt. Sonst kommt Er nach Wöpplinsberg. Er muss auf einen Quellbach treffen, an dem entlang bleibt Er, dann kreuzt Er bald unser Aubächle. Und da liegt’s Kloster dann auf Osten zu. Macht einen halben Kreuzer.«
Jacob begriff nicht sofort und dankte mit einem »Vergelt’s Gott!«, aber die Alte brachte er damit nicht zur Ruhe.
»Einen halben Kreuzer bitt’ ich, Herr Wirt«, rief sie, »oder noch besser, Er kauft mir für einen halben mehr etwas ab. Dann hat Er einen ganzen halben gespart und ein Geschäft gemacht. Schließlich weiß Er ja zu rechnen, sonst wär Er ja nicht Wirt, hab’ ich recht?«
»Sie hält wohl nichts von Nächstenliebe?« patzte Jacob sie an. »Nur Hexen wollen aus allem Geld schlagen und Sie glaubt wohl, ein Fremder hat’s Geld so wie sie ihre Flöhe, was?«
»Das Geld liegt nicht auf der Straße, wie Er meint, und das mit der Hexe nimmt er retour«, keifte die Alte. »Aber Er wird mir wohl was abkaufen können, bevor Er sich in Christo Namen besaufen darf. Hier, ein Kienspanhalter, geknetet wie ein Schweinskopf. Ein Dutzend Späne kriegt Er umsonst, dann kann Er sich Licht machen im dunklen Klosterkeller. ‘s wär doch schad um ihn, wenn Er stolpert und sich ausgerechnet auf so heiligem Boden sein Kreuz bricht, oder?«
Jacob war von der Schlagfertigkeit der Alten zu verblüfft, um seinem Ärger mit irgendwelchen Beschimpfungen Luft zu machen. Außerdem sagte ihm eine innere Stimme, dass es jetzt unvernünftig wäre, mit lautstarken Schmähungen noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ohnehin gafften die Leute und manche wären am liebsten stehen geblieben.
»Hat Er Angst, der Herr Wirt, vor mir«, kicherte die Alte und verwirrte ihn gleich darauf, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte: »Er kann beruhigt sein: Beistehen tut mir hier niemand und heil bleibt Er auch.«
Jacob beschlich ein Grausen vor dieser zerschrumpften Alten, die mit ihrem verfilzten, grauschwarz verrußten Haar und den stechenden, rotunterlaufenen Augen das Urbild einer Hexe abgab. Wie zwei Streifen altes Rossfleisch auf gekalkter Haut wirkten ihre Lippen, aus denen immer dann etwas Speichel herausrann, wenn es um ihr spitzes Kinn zuckte. Nur die gerade Nase wollte nicht zur Hexe passen, obgleich ihr Blick und die schwarz und grau bestrumpften Füße das Gegenteil zu beweisen schienen.
Weil er nichts herausbrachte, begann die Alte zu lachen, dann krähte sie höhnisch: »Er soll’s mir bezahlen, sonst werd’ ich wirklich zur Hexe, wie Er glaubt! Soll ich ihm seinen geilen Trieb besprechen oder mich in einen dreiläufigen Hasen verwandeln? Er darf sich alles wünschen!«
Giftig klang dies jetzt und Jacob blickte sich hilfesuchend um. Aber die Leute gafften nur und zogen weiter. Auf seinem Braunen fühlte er sich zum Glück leidlich sicher und weil sein Pferd nicht scheute, konnte diese Alte auch keine Hexe sein.
»Sie spielt die Hexe so gut wie einer, der in der Kirche die Orgel schlägt«, sagte er. »Hexen sollen sich zuweilen in solche Hasen verwandeln, das spricht man so, weil ihnen der Reitbesen zwischen den Schenkeln klebt.«
»Wie schmeichelhaft für mich! Wenigstens ist Ihm die Sprache wieder eingefallen und der Schalk obendrein! Aber dafür kann ich mir nichts kaufen. So fein wie Er aussieht – ich will keinen Batzen Gold von Ihm, sondern nur den halben Kreuzer.«
Dagegen war nicht anzukommen. Wahrscheinlich gehört sie doch zur Hexenbrut, überlegte Jacob. Immerhin war heute war Bartholomäustag, da sollten sie, so die alten Geschichten, zum Sabbat ausfahren. Um des lieben Friedens willen würde er dieser Vettel also etwas abkaufen, auch wenn sich sein Stolz dagegen wehrte. Irgendetwas Nützliches war sicher in ihrem Karren.
»Gut«, sagte er mit fester Stimme, »ich wenigstens halte es mit der politen Welt und will mich nicht weiter zanken. Sie soll den Kreuzer kriegen, wenn Sie mir ein gutes Stück zeigt. Gott straf Sie nicht, obwohl sie mich aufhält. Meinem Kind nämlich geht es schlecht und im Kloster hoffe ich auf die richtige Arznei.«
Die Alte war wie ausgewechselt. Hastig kramte sie in ihrem Karren, wobei sie die verschiedensten Holzmodeln zwischen ihre Arme klemmte, von denen sie dann aber doch keines für ihr Geschäft geeignet fand. Schließlich hielt sie nach einer Weile einen unverzierten, flachen Löffel in die Luft, der aus frischem Tannenholz
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