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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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nichts, trotzdem – wo hat Er seine Papiere? Will Er das Kind da verkaufen? Mir scheint, Er hat’s gezeugt und will’s nun weggeben. Die Machart tut gut, aber der Einsatz nährt nur den Leib der Weiber, was?«
    Wie in Tritt in die Magengrube wirkten diese Verdächtigungen. Von einer Sekunde auf die andere wurde Jacob so flau, dass es in seinen Ohren rauschte. Das Kind weggeben! Nur der Teufel konnte es dem Grenzer geflüstert haben! Mit größter Willensanstrengung hielt Jacob sich auf den Beinen, obwohl er glaubte, alles sei mit einem Schlag verloren. Entgeistert starrte er den Zöllner an, der interessiert um seinen Braunen herumging und ihn wohlwollend klopfte. Doch anstatt irgendwelche Anstalten zu unternehmen oder weiter nachzuhaken, begann der Zöllner plötzlich zu pfeifen. Ein berüchtigtes Soldatenlied, das Jacob, wie jeder hier in der Gegend, gut kannte. Zwanghaft gesellten sich die Worte zur Melodie und da begriff Jacob: Nur demütigen wollte ihn der Grenzer! Denn ein Fehdelied war es ja, das er pfiff. Eins gegen die Bauern, also seinen Stand: »Erwisch ihn bei dem Kragen, erfreu’ das Herze dein, nimm ihm, was er habe, spann aus die Pferdlein sein. Sei frisch und dazu unverzagt und wenn er einen Pfennig hat, dann reiße ihm die Gurgel ab!«
    Jacob schöpfte neuen Mut. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob er mit unterwürfiger Beflissenheit nach seinen Papieren suchen sollte, oder ob er es riskieren konnte, ein paar Nettigkeiten zu erwidern. Aber diese Entscheidung wurde ihm abgenommen. Denn nicht etwa, dass dieser Grenzer durch forsches Strecken oder drohenden Gesichtsausdruck irgendwelche Maßnahmen ankündigte, nein, er wandte sich ab, ging in die Knie und schneuzte sich aus. Und dies tat er mit solcher Hingabe, dass Jacob genau mitbekam, von welcher Art die Verstopfung der Nase war. Vollends verspielt hatte der Zöllner aber seine Autorität, als er Jacob, der verlegen den Schopf seines Pferdes tätschelte, gegenübertrat und wieder zu reden anfing. Kaum waren die ersten Worte heraus, traf Jacob ein so entsetzlicher Mundgeruch, als ob ein Fass verwester Fische gelüftet worden wäre. Zudem quasselte es versöhnlich:
    »Ich will Ihn weder verdrießen noch Galle über Ihn kübeln. Hab’ schon am Hut gesehen – Er ist von ehrlichem Landstand. Reines Kleid empfiehlt die Leut. Sein Kind ist krank, ich hab’s wohl gesehen und Er hofft auf einen gelehrten Physikus. Wenn’s tot ist, kommt aber auch die Arznei zu spät, doch ich wünsch ihm Glück. ‘s liegt ja warm und weich, aber auch ein goldnes Bett tät nichts ausrichten. Die beste Krankheit taugt nichts. Wo kommt Er denn her?«
    »Oberrotweil«, antwortete Jacob. »Er hat ein scharfes Auge und leider recht. Schwer krank ist das Kleine und Gott soll’s beschützen. Vielleicht kann man mithelfen und Gott lohnt dir dann die Müh’. Beten tut mein Weib, denn schon zweie sind ihr genommen worden, aber es heißt ja: Bemüh dich selbst, dann hilft dir Gott.« Wie berauscht hörte Jacob sich reden. Die Geschwätzigkeit dieses Zöllners hatte etwas in ihm freigebrochen und wie von selbst fanden sich auf einmal die Worte.
    »Recht hat Er«, quasselte der andere weiter, »und das Beten ziemt den Weibern wie das Kinderkriegen. Wenn’s nur hilft, so könnt Ihr feiern. Das nützt der Religion und macht die neuen Zeiten christlich. Das einzige Kind ist immer das liebste Kind und keins wird ohne Beulen groß. Aber sterben heißt nun mal begraben und dann ist’s aus.«
    Weiter kam der Zöllner nicht mehr. Eine heisere Stimme brüllte aus der Richtung des kleinen, ein paar Schritte dorfeinwärts gelegenen Zollhauses. Ohne Überrock, Bandolier und Dreispitz kam ungeduldig ein weiterer Zöllner auf die beiden zu. »Dieser Schwätzer, dieser Schwätzer«, tönte es, »dieser waschweibisch schwätzige Schwätzer! Lass dir die Papiere zeigen und deutliche Antworten geben. Wie kann man erst saufen und dann schon wieder mit dem Maul die Welt aufhalten wollen? Lasst Euch von dem nicht festnageln, wenn alles rechtens ist, sonst steht Ihr hier noch, bis es acht schlägt.«
    So sehr Jacob gerade noch vor Schreck zusammengefahren war, so sicher, ja belustigt fühlte er sich jetzt. Aufregung und Unsicherheit waren wie weggeblasen und er schalt sich, beinahe die Haltung verloren zu haben. Was hätte schieflaufen können, fragte er sich. Zollwertiges hatte er wahrlich nichts dabei und gekleidet war er auch anständig. Und das Balg da – für andere konnte es doch nur sein

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