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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Kind sein oder etwa nicht? Für den Schwatzkopf da schien dies ja so offensichtlich, dass er in seinem Hirn gleich anfing, einen Physikus zusammenzuspinnen.
    Jetzt galt es, aufs Ganze zu gehen. Vielleicht könnte er es sogar schaffen, einfach so an den beiden vorbeizukommen. Ihre Blödheit lud ja geradewegs dazu ein. Denn natürlich wäre es am vorteilhaftesten, namenlos zu passieren. Ein Gesicht ohne Namen vergisst sich schnell, ist wie ein flüchtiges Bild in einem Traum.
    »Es ist meine Schuld«, gab Jacob vor, »ich hab seinem Kameraden meine Sorge mit dem Kind da geklagt. Er weiß, wer ich bin, woher ich komm’ und wohin ich will. Und dass ich nichts Zollwertiges bei mir hab’, das sieht Er ja auf den ersten Blick.»
    »Da hast du’s«, triumphierte der erste Grenzer, »hörst du? Ich bin eben Mensch, du nur Soldat und hab’ ein Ohr fürs Leid der Leute. Das Trösten fällt mir leicht und mein Mund verrät mein Herz. Dein Brüllen löscht kein Feuer. Ich war mal Kanonier und keiner schrie, bevor es krachte, weißt du das? Los, schlag erst dein Wasser ab, und tanz hier nicht ohne Hut!«
    »Du Wahnsinnsgrind du – du schwätzt dem Teufel noch den Schwanz ab und dem Papst die Ehe auf!« schrie der andere, trat aber beiseite und nestelte tatsächlich an seiner Hose. Jacob machte Anstalten, sich auf sein Pferd zu schwingen und rief lachend, es sei noch zu früh, um sich zu streiten. Außerdem dränge die Zeit, er müsse weiter.
    »Er kann passieren!« brüllte der zweite Zöllner. »Seht bloß zu, dass Ihr fortkommt, sonst seid Ihr verloren!«
    »Von wegen«, setzte der andere nach, »nur wen die Untat treibt, hat’s eilig! Glück schlendert – Unheil galoppiert! Gruß den Emmendinger Töchtern!«
    Die letzten Worte rief er Jacob hinterher, der schon losgeritten war, wobei er sein Pferd nicht schonte. Heftig trat er ihm in die Seiten und peitschte es zum Galopp. Sollten diese Deppen sich doch prügeln oder sich gegenseitig mit ihren Mundgeruch vergiften!
    6
    Vor dem Unteren Tor herrschte hektische Betriebsamkeit. Mit Handkarren, Leiter- und Ackerwagen drängten Bauern, Knechte, Mägde und übriges Gesinde aus den umliegenden Dörfern in die Stadt. In das Gegacker von Hühnern, das Trappeln, Schnauben und Wiehern von Eseln und Pferden mischte sich Ziegengemecker und Ochsengebrüll, zwischendrin hysterische Ausbrüche quiekender Schweine. Darüber Rufe, Schreie und kehlige Flüche, das harmlose Gezwitscher und Geflatter gefangener Vögel. Holz ächzte und Sand knirschte, wenn eisenbereifte Räder die Kanten der Pflastersteine rammten, Pferdeschweiß verdrängte den Duft von frischem Gemüse und Kräutern. Ungeduldig knallten in der immer länger und breiter werdenden Schlange die Peitschen, doch das gehörte zum Emmendinger Markttreiben dazu und so wirkte auch kein Gesicht wirklich verärgert.
    Noch gut fünf Pferdelängen lagen zwischen Jacob und der Tordurchfahrt. Von der Torwache war nichts zu befürchten. Sie musterte die Menschen zwar sorgfältig, doch niemand wurde behelligt. Vor gut einer halben Stunde war der Morgen eingeläutet worden, also würde es gleich sechs schlagen. Jacob saß ungerührt auf seinem Pferd und hörte längst nicht mehr auf das dann und wann ausbrechende Zetern des Kindes. Beim Umziehen war es aufgewacht, hatte sich in der Zwischenzeit aber müde geschrien.
    Mit seiner Verkleidung war er hoch zufrieden. Geradezu für ihn genäht schien sie zu sein, so gut passte sie: Eine dunkle Wirts-Tracht, die sich nicht über die Gebühr von der farbenprächtigen Kleidung des Landvolks abhob. Auf seinem Pferd wirkte er in seiner pelzbesetzte Mütze und dem tiefbraunen Überrock zu ebenso braunen, fein gewebten Strümpfen und Kniehose richtig vornehm. Ein Eindruck, den das schwarzseidene Halstuch und die rote Weste mit ihrer goldbetressten Knopfleiste wie selbstverständlich bestärkten.
    Auf wunderbare Weise hob dieser Anzug sein Selbstbewusstsein. Wie eine Schlange, die ihre alte Haut abstreift, hatte er seine schweißgetränkten Kleider abgetan und atmete seitdem mit befreitem Mut.
    Manches Mädchenauge musterte ihn interessiert und zwei junge Bauerntöchter versuchten sogar, seinen Blicken standzuhalten. Jacob zügelte sich nicht und weidete seine Augen ausgiebig an dem, was die Weiber ihnen boten. Mehr noch, sie verrieten, welch zudringliche Bilder und aufpeitschende Wünsche in seinem Kopf loderten. Hemmungslos tasteten sie sich unter Schürze, Rock und Mieder und gaben die Lust an nackter,

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