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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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gearbeitet war.
    »Nun, ist das nicht ein schönes Stück?« rief sie und strahlte Jacob an. »Für das Kleine zum Füttern, wenn es wieder gesund ist. Den muss Er kaufen, sonst wär’s Sünde. Weil, mit diesem Löffel schmeckt die bitterste Medizin.«
    »Und ich hab’ wohl nachher eine Kotstange im Gepäck, was«, sagte Jacob gemütlich, ohne zu ahnen, dass diese Antwort bei der Alten einen Wutausbruch hervorrief.
    »Ich spuck’ Ihm gleich in die Augen, dass Er blind wird!« tobte die Alte. »Jetzt wollt’ ich, ich wär’ eine Hexe! Dann hätt’ ich dem kranken Balg da schon längst das Fett abgelassen!«
    Erschrocken warf ihr Jacob einen Kreuzer zu, aber die Alte schrie weiter: »Er ist hier der Spieler, nicht ich. So wahr die Hexen sich unter alten Eichen versammeln: Er wird einmal deren Holz zu spüren kriegen. Der Eichen Hexenschrift kann Er nicht lesen, aber ich. Und auf den Kopf sag’ ich Ihm zu: Sein Balg, wenn’s denn wirklich seins ist, wird sich einmal für diesen Ritt an Ihm rächen!«
    »Dumme Vettelnsprüche!« brüllte Jacob wütend zurück und schleuderte den Löffel an den Wegrand. »Als ob ich den Weg nicht finden würde!«
    »Natürlich findet Er ihn«, klang es triumphierend in seinen Ohren. »Denn, Herr Wirt, Er wird ja nicht so blind sein, dass Er die Wegsteine übersieht!«
    Jacob brachte nur noch »Verdammte Pesthexe« über die Lippen. Sein Brauner bäumte sich vor Schmerz auf, so heftig trat er ihm in die Seiten. Um alles in der Welt würde er sich nicht mehr aufhalten lassen. Auf den Löffel konnte er verzichten, trotzdem zwang ihn irgend etwas, sich noch einmal umzuschauen. Die Alte war verschwunden, aber Jacob stockte der Atem. Da, wo er glaubte, den Löffel hingeworfen zu haben, stand eine mächtige Eiche, und schadenfrohes Lachen gellte in seinen Ohren.
    7
    Gelogen wenigstens hatte diese Halbhexe nicht. Das Kloster musste ganz nah sein, denn das Siebenuhrschlagen zwang unwillkürlich zum Mitzählen. Außerdem konnte man schon das Wasser riechen und Jacob war sich trotz Gewimmers und Hufschlages sicher, den Aubach schon seit einer Weile zu hören. Einmal jetzt noch sich zusammenreißen, dann winkte echter Lohn! Jacob atmete wieder unregelmäßig und hielt vor Anspannung die Luft an.
    Im gleichen Augenblick, in dem er die Aulandschaft erblickte, überraschte ihn auch der Anblick der majestätischen Klosterbauten. Ein abgelegenes Waldkloster hatte er sich ganz anders vorgestellt: klein und eher dürftig, mit einem unauffälligen Kirchturm und wenigen Wirtschaftsgebäuden. Aber dies war eine Schlossanlage, riesig, prächtig, richtig weltlich und einschüchternd. Dunkel erinnerte Jacob sich an das Gerücht, dass vor vielen Jahren einmal ein Kloster vom Feuer vollkommen vernichtet worden sein soll, auch an das Gerede von einem Klosterneubau irgendwo im Schwarzwald – aber was interessierte ihn das damals schon.
    Von einem Gerücht also konnte keine Rede sein. Dieser Palast aus Stein, dieses Rechteck mit zwei offenen Flügeln, dieser hellgelb getünchte und in der Morgensonne leuchtende Bau war tatsächlich jenes Schwarzwälder Kloster. Inmitten einer planmäßig gestalteten Gartenlandschaft prangten stolz und satt die Trakte der Mönche mit der Kirche, wobei eine mannshohe gequaderte Steinmauer, die im Westen von den langgestreckten Wirtschaftsgebäuden der Klosterarbeiter ersetzt war, nach außen hin die Anlage sicherte. An die alten Zeiten vor dem Brand erinnerte nur noch die schmale, abseits gelegene Kapelle mit ihrem steilen Dach, den Spitzbogenfenstern und rippigen Strebepfeilern. Nur diese Kapelle war mönchisch schlicht, alles andere wirkte aufgeblasen und eitel – jedenfalls für ihn, den Winzer Jacob Schnitzer.
    »Hinter solchen Mauern hausen also heute die Nachkömmlinge des heiligen Bernhard«, murmelte er vor sich hin und fühlte sich dabei wie ein Spion, der einem Geheimnis auf die Spur gekommen war. »Dabei sind es Blutsauger, die nicht beten und arbeiten, wie sie’s tun sollten, sondern lieber uns kleine Leute auspressen. Genauso protzig wie sie wohnen, werden sie saufen und fressen. Und genauso, wie sie sich mit geheimen Tränken kurieren, werden sie ganze Weiberhorden aufgeilen und sich dann ihre Brunst von den Lenden stoßen. Sicher haben sie beide Bäche gesegnet – denn so viel Wasser, wie sie für ihre befleckten Ordenskleider brauchen, fasst kein Weihbecken.«
    Jacob war auch deswegen so aufgebracht, weil er sah, dass Tennenbach nun doch das falsche Kloster

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