Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
enthusiastisch in den Raum gebrüllt und sein Entree dabei mit einer prächtigen Schweißwolke geziert. Erst später war ihm zu Bewusstsein gekommen, dass er das saubere Weiß der Mönchskleider mit seinem Hautgout gleichsam verpestet hatte und jetzt schämte er sich dafür. Nicht von ungefähr war es Johannes wohl gleich eingefallen, das Fenster über seinem Schreibtisch aufzustoßen.
Johannes war es auch gewesen, der sich zuerst gefasst hatte. Allerdings nur mit einem betretenen »Wie?«, das von ihm, Gregor, mit der lauten Feststellung »Es hat Hunger« und »Ein Findelkind! Jesus Maria sei Dank, ein Findelkind!« erst einmal niedergeschrien worden war.
Dann hatte Philipp seine Sprache wiedergefunden. »Kommt hier so herein – und wieso eigentlich Jesus Maria sei Dank?«
Gregor hörte noch genau den abschätzigen, vorwurfsvollen Ton, lächelte aber, weil selbst Philipp dem Kind auf die Nase stupsen wollte! Und das, obwohl Philipp, den Feinen, die erdig-sauren Ausdünstungen des nassen Wickelleinens abgestoßen hatten – ganz im Gegensatz zu Johannes, der das Kind regelrecht beschnuppert hatte.
Gregor trieb es auf seiner Holzbank die Schamröte ins Gesicht bei der Vorstellung, dass seine mannsgeschwängerte Ätze Philipp mehr abgestoßen hatten als die Gerüche von Kissen und Wickelleinen. Deutlich hatte er in Philipps Gesicht die lauernd zuckenden Nasenflügel beobachten können – dafür hatte sich im Gegensatz zu ihm Johannes dann ganz und gar unmönchisch gegeben: »Ja, wer ist denn da, wer schreit denn da? Ditditdit, wo kommst du denn her?« hatte er auf das Kind eingeredet und ihm mit einem Finger die Wange gestreichelt.
Leider hatte er, Gregor, dann weiter zu reden versucht, dann aber doch nichts Gescheiteres mehr zu sagen gewusst, als dass er wieder von der Jungfrau ausersehen worden sei, diesmal jedoch als ihr Werkzeug gedient habe und folglich Verantwortung übernehmen müsse.
»Dies ist auch gar nicht so falsch, Gregor« hatte Philipp ihn daraufhin angeraunzt, doch dann von oben herab mit den Worten zugelegt: »Nur, du musst zugestehen, etwas heftig, dein Auftritt, nicht? Ein Findelkind, so was gibt es – gerade du kennst doch die Welt! Vielleicht warst du an dem ja nicht ganz unbeteiligt?«
Es war dies das erste Mal, dass er Philipps Art so deutlich zu spüren bekommen hatte. Philipp gehörte zu den wenigen Mönchen, die dünkelhaft auftraten. Weil er die Klosterwirtschaft ordnete, über die Vorräte wachte und jeden Morgen den Konversen die weltlichen Arbeiten zuteilte, fühlte er sich als etwas Besseres. Oft klang verletzend, was er sagte und Gregor fühlte sich immer noch wie ein gemaßregeltes Kind.
Nun wartete er hier – doch leider nicht wie ein selbstbewusster Konverse, sondern wie der allergewöhnlichste Knecht. Wie einer von den fluchenden Lohnarbeitern, die sich um das Vieh kümmerten: verschwitzt, stinkend, mit verfilztem Bart und schwieligen Schmutzhänden. Selbst sein Haarkranz, das besondere Zeichen der Klostergemeinschaft, spreizte sich fettig von der hitzefleckigen Kopfhaut. Philipp hatte leider allen Grund gehabt, ihn so herablassend zurechtzuweisen.
In der Küche war es dunkel geworden, längst war draußen niemand mehr zu sehen. Durch das offene Fenster drang das Rauschen des Waldes, das bei Windböen zu einem Pfeifen anschwoll. Süßer Wiesenduft vermischt mit erdigem Harz schmeichelte der Nase, und selbst in den Viehställen lüftete der Wind die Schärfe des vergüllten Mistes. Wetterleuchten und Blitze ließen sich nicht mehr unterscheiden und die Talaue erbebte unter den Schlägen des Donners.
Gregor aber wurde von Minute zu Minute ungeduldiger.
11
An den Stimmen erkannte er Martin und Christoph, die schniefend vom Treppenhaus in den Küchenvorraum polterten.
»Regen und Fisch kommt heut’ auf den Tisch! Es lebe Sankt Bartholomä!« rief Christoph überschwänglich und Martin sang dazu: »Wasser zu Wein, das Fischlein schmeckt fein! Es lebe das Mägdlein, das willig wird sein!«
»Klosterbruder, deine Zunge ist lose wie der Gürtel deiner Kutte!« echauffierte sich Christoph.
»Nix da: Prost allen Ludern!« grölte Martin. »Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Und an Sankt Bartholomä, da schreien die Fischlein Weh.«
Gregor atmete auf. In einer Klostergemeinschaft lebten – Gott sei Dank – nicht nur Brüder wie Philipp! Dessen Art drückte Gregor immer wieder das Gemüt und so freute er sich im Moment ehrlich, dass die beiden Köche ihn
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