Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
ablenkten. Da die launigsten Gesellen in einem Kloster die Küchenbrüder waren, dicht gefolgt von den Brau- und Kellermeistern, saß er hier auf alle Fälle richtig. Denn was er gerade mitbekam, erinnerte ihn ein wenig an jene vertrauten Schankstuben, in denen nicht nur der Wein seinen Preis hatte.
Mit zwei vollen Holzeimern und einem Kescher unter dem Arm keuchte Christoph in die Küche. Für die an die Eimerwände anklatschenden Forellen war das Wasser bereits bedrohlich wenig. Doch immer noch zappelten sie so kräftig, dass es um Christoph herum mächtig spritzte.
»Bei der Muttergottes!« rief er. »Seh’ ich richtig? Ein Säugling? Bei uns? Sag mal, willst du uns einen Streich spielen?«
Christoph kippte die Forellen in eins der beiden gemauerten Becken, die seitlich der Kaminwand bis zu den Fenstern reichten und öffnete das Wasserschieberventil, um sie zu fluten. Das Wasser, das durch eine Leitung direkt vom Brunnenhaus floss, strömte zwar nicht mehr mit dem üblichen Druck, aber schon morgen würde durch den Regen wieder alles beim alten sein. Die Fenster über dem Becken gaben geradewegs den Blick auf das Kirchenlangschiff mit Kreuzgang frei. Linker Hand, im Westen des Rechtecks, lag der Konversentrakt, der Flügel direkt gegenüber beherbergte den Kapitelsaal und das Mönchsdormitorium.
»Einen Streich? Ich?«
»Nein, du natürlich nicht. Aber nun sag schon …. nein, wart besser einen Augenblick, bitte. Draußen stehen noch Martins Eimer. Du musst wissen, an Bartholomä bekommt jeder zwei schöne fette Fische.«
So schnell es nur irgend ging, hastete Christoph mit den Eimern zu den Becken. Dann beugte er sich über den Kopf des Kindes und flüsterte: »Jetzt weiß ich, warum du hier bist, du – tzt, tzt, tzt« – auch er konnte es nicht lassen, wenigstens einmal ganz leicht die Nase anzutippen -, »zwar verstehe ich noch gar nichts, aber natürlich hast du Hunger, und da war der Gregor schlau. Ob wir wohl was finden, du, für dich, hm?«
»Hast du gehört?« flüsterte Gregor. »Du wirst bekocht. Aber magst du denn schon Forellen? Ich glaube fast, der Christoph meint’s da etwas zu gut mit dir.«
»Da hast du recht, vertrau also lieber mir, Gregor«. Ebenso dick wie gut gelaunt hatte sich Martin herangeschlichen und gesellte seinen breiten, trocken gewienerten Schädel neben Christophs feuchtschweißigen Kopf. »So wahr nach mir die dicksten Gänse heißen, ich werde dir ein Schöppchen rühren. Das macht dich satt und stark wie mich.« Er grunzte zufrieden und streichelte mit dem Rücken seiner warmen knubbeligen Finger die blassen Säuglingswangen.
Schließlich ging er in den Keller und füllte dort ein Kanne Milch ab.
Christoph schichtete unterdessen ein Bündel Reisig in die riesige Herdstatt, die genau in die Mitte des Raumes gebaut war, damit man von allen Seiten bequem an die Kochplatten herankommen konnte.
»Du wirst sehen, der rührt dem Wurm hier eine Milch, da hält kein Ammenbusen mit«, sagte Christoph zu Gregor. Und nachdem er einen glühenden Scheit vom Kamin untergelegt hatte, setzte er hinzu: »Du kannst gleich Holz nachlegen – ich brauch’ endlich Trockenes. Mir ist kalt, winterlich kalt.«
Gregor erhob sich reichlich steif und schaute sich nach einem Platz um, wo er und das Kind den Küchenbrüdern nicht im Weg wären. Gegenüber vom Kamin, neben der wuchtigen Regalwand, in der die Ton- und Steinguttöpfe, Essenstragerln, Backmodeln, Krüge und Schüsseln ihren festen Platz hatten, in der Öl, Essig, Gewürze, Getreide, Graupen, Gries, Mehl und getrocknete Kräuter aufbewahrt wurden, bot sich eine Ecke an: groß genug für einen Armstuhl, den er gleich aus dem Refektorium holen würde.
Beunruhigt lauschte er auf die schwachen Atemzüge vor sich, denn nicht mehr erwacht war das Kind, obwohl grellste Donnerschläge das Tal heimgesucht hatten. Das gleichmäßige Rauschen des Regens hatte sich jetzt in den Vordergrund gedrängt, begleitet vom dumpfen Grollen des abziehenden Gewitters, in welches sich das Kesselquietschen und spitze Geplätscher der Forellen mischte.
Gregor schaute aus dem Fenster. Draußen lichtete es sich bereits etwas, aber der Regen schnitt mit noch unverminderter Kraft durch die Luft.
12
Der Rührbesen klepperte, Martin rührte mit sichtlicher Begeisterung. In kurzen Abständen schnoberte er besorgt über den Topf, damit ihm auch gewiss nichts anbrannte.
»Die Hälfte Milch, die Hälfte Wasser, merk dir’s«, sagte er, »das weiß ich vom
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