Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
Wassereimer herangeschleppt hatte, um bei einem möglichen Blitzschlag nicht ganz hilflos dazustehen. Ihre Jungfernschaft hatte sie dabei verloren. Weil sie völlig abhängig von ihm war, musste sie ihm dann noch an anderen Tagen zu Willen sein, bald ein halbes Jahr lang. Aus Verachtung gegen sich selbst hatte sie geschwiegen – wenigstens hatte Jacob aufgepasst. Andere Mägde hatten dieses Glück nicht gehabt. Sie mussten zehn Monate später mit gefesselten Händen auf den Hurenstuhl, diesen Schandkarren, der dann unter Glöckchengebimmel durch die Straßen gezogen wurde.
»Und jetzt willst neue Wäsche, wie? Am ersten August! Tust so, als ob du nicht wüsstest, dass dies ein Unglückstag ist.« Jenne maulte es Bernhard hinterher, der Anstalten machte, den Weg ins Haus nackt zurückzulegen.
»Ja, soll ich die alten Schweißlappen wieder anziehen?« rief er entgeistert. »Weil es den Kanzelschwätzern gefallen hat, Gewitter am ersten August als Aufstand des Leibhaftigen zu deuten? Dein närrischer Aberglaube! Als ob’s Gott uns in den Kalender geschrieben hat, wann er den Luzifer in die Hölle stieß!«
»Aber du kannst doch nicht so über den Hof!«
»Sollen sie alle gucken!« rief Bernhard zurück und winkte. »Die Weiber sehen dann endlich, wovon sie träumen. Der andere Teil mag sich bekreuzigen!«
Jenne traute ihren Augen nicht. Ohne seinen Schritt zu beschleunigen, ging Bernhard Schnitzer über den Hof. Als wär’s die selbstverständlichste Sache von der Welt. Der Haufen verschwitzter Wäsche ging ihn nichts mehr an.
13
Es war schon ein bisschen mehr als pure Laune gewesen. Nun fühlte Bernhard sich wohl wie ein Eber in der Suhle. Ein sauberes Hemd aus derbem, sonngebleichtem Tuch, eine sackleinene Kniehose mit festen Flicken, neue Strümpfe, neue Kniebänder und leidlich geputzte Schuhe. Den braunen Rock über der linken Schulter, das Hakenmesser vorwitzig im breiten Gürtel, in der Hand den Brechstuhl. Bernhard mochte sich leiden.
Sie sollte sich wundern, die Madame van Bergen. Dass sie verheiratet war, würde sie noch heute verfluchen. Man reizt den Hund so lange, bis er beißt – auch wenn sie es nicht absichtlich tat. Aber ein solch hübsches Frauenzimmer, das sich so bewegt, so lacht, so mit den Augen blitzt und ihm so gefährlich nah vor den Fingern tanzt, solch ein Frauenzimmer tut so etwas nicht lange ungeküsst. Natürlich, ein kleiner befangener Bauchkitzel war immer dabei, wenn er ihr half. Aber wer sagte, dass ihr dies nicht ähnlich ging?
Das vierte Mal würde er der van Bergenschen heute helfen. Nach zwei Tagen im Februar, um den Winterschnitt zu Ende zu bekommen, nach dem Bogenziehen im März und dann wenig später noch mal beim Einschlagen der Rebstecken. Bis jetzt wollte er keinen Dank dafür. Den würde er sich ein andermal abholen, hatte er stets unverbindlich gesagt. Ein andermal. Denn dass Barbara die Miete für den Keller aus Dankbarkeit gleich fürs ganze Jahr gezahlt hatte, dies war Sache Marias. Sein Lohn sollte ein Naschwerk ganz besonderer Art werden.
Bernhard war so mit sich zufrieden, dass er ein Liedchen pfiff. Die vorgewittrige Stimmung war ganz nach seinem Sinn. Es drauf ankommen lassen, war seine Devise für dieses Rendezvous. Von umständlichen Plänen hielt er nichts. Selbstverständlich würde er erst einmal brav auf seinem Brechstuhl hocken und Geiztriebe ausputzen. Auch ganz sachlich über das anstehende Gipfeln reden. Schließlich war es der van Bergenschen sehr ernst mit der Winzerei. Arbeiten konnte sie wie ein Mann und ihr gut einen halben Jauchert großes Rebstück hatte sie aufgeräumt, wie es nur ein Winzer wünschen konnte.
Aber dann? Das würde sich ergeben. Vielleicht ergriff ja sie die Initiative – als Frau von Stand durfte sie es wagen. Zuzutrauen war es ihr. Denn dass er ihr nicht ganz gleichgültig war, ahnte Bernhard bereits seit dem Frühjahr. Und seit letzter Woche, wo der Vater und er sie in Begleitung ihrer Hausmagd auf der Burkheimer Jakobikirmes getroffen hatte, seit letzter Woche war er sich sicher. Bernhards Mund verzog sich zu einem Grinsen und seine Augen wurden schmal. Über der rechten Schulter baumelte sein Trinksack: zwei Drittel Wein, ein Drittel eisiges Brunnenwasser. Dazu passte am einfachsten ein Kanten Hefezopf, hatte er entschieden. Liebe ging bekanntlich durch den Magen.
Übermütig grüßte Bernhard die Eiche, klopfte wohlwollend ihren Stamm und bedankte sich mit einem lauten »Vergelt’s Gott!« für den geleisteten
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