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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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beizukommen. Denn, auch wenn dies jetzt Schulschwesterngeist verrate, dem Zufall zu vertrauen, führe nur in den Misserfolg.
    Die notwendigen Gerätschaften kaufte sie in der ersten Hälfte des Jahres nach und nach zusammen. Neben einer Anzahl Fässer waren dies Winzer- und Küferutensilien, zu denen noch verschiedene Holzhämmer zum Einschlagen der Korken angeschafft wurden, hundert Ellen dünne, aber besonders reißfeste Packschnüre, Leim und einige Lagen farbiges Papier, das für die ersten Flaschenetiketten dienen sollte. Zwei Tage nach Pfingsten rollten zwei Pferdefuhrwerke, beladen mit dicken und dünnwandigen Flaschen vor den alten van Bergenschen Lösskeller, den Barbara den Monat zuvor gegen geringes Entgelt, ein paar Fässchen Bier und reichlich Grütze und Kautabak von Tagelöhnern hatte geräumiger aushauen lassen.
    Cees hatte also recht gehabt, ihre Sorge war unnütz gewesen. Die Zisterzienser Glashütte lieferte ohne Aufhebens die vor über hundert Jahren in England entwickelten und in der Champagne verwendeten schweren Flaschen. Darüber hinaus produzierten die Brüder sogar billiger als die Arbeiter zwischen Troyes und Langres, etwa in Bayel. Cees witterte gleich ein Geschäft, das sich aber bei ehrlicher Rechnung schnell ins Unmaßgebliche verflüchtigte: Die Frachtkosten hätten neunzig Prozent des Gewinns wieder abgeschöpft.
    Ein glücklicherer Einfall war es, von den Schnitzers einen ihrer Lösskeller zu mieten, unterderhand, ohne umständliche Einwilligungserklärung der Fahnenberger Grundherren, denen in so einem Fall ein erheblicher Teil der Einnahmen zugestanden hätte. Cees hatte es Maria im April vorgeschlagen, als diese Barbara überraschend an einem sonnigen Nachmittag in Burkheim aufgesucht hatte, um zum größer ausgehauenen Keller zu gratulieren – für beide Seiten das einzig Erfreuliche dieses Besuchs, der allein den Regeln von Anstand und Konversation gehorcht hatte. Cees’ Gegenwart hatte Maria verunsichert, wozu die feine Atmosphäre des wohleingerichteten Kaufmannshauses viel beitrug.
    Jetzt, im Juni, brannten überall die Johannisfeuer und vom halben Dutzend Champagnerkisten, die Monsieur Ruinart wenige Tage nach Abreise seiner Gäste expedierte, war nur noch die Hälfte übrig: 36 Flaschen, die im van Bergenschen Keller einträchtig neben einem Dutzend alter Moëts und Taittingers lagerten.
    Es war weit nach Mitternacht, aber Barbara konnte nicht einschlafen. Durch das offene Fenster zog die rauchgeschwängerte Luft der niederbrennenden Scheiterhaufen und hie und da ertönte noch das Juchzen, wenn es wieder einer wagte, durch die Flammen zu springen. Wer das in der Johannisnacht tut, der überwindet für ein Jahr drohendes Unheil und reinigt sich von versteckten Krankheiten. Dies war ein alter Volksglaube und Barbara dachte missmutig daran, dass sie dieses Jahr das erste Mal nicht gesprungen war. Selbst bei den Nonnen hatte sie es getan, immer Hand in Hand mit Schwester Catharina, der Mère Bataille es ihretwegen als einziger erlaubte. Zum heimlichen Verdruss der anderen Schwestern, von denen natürlich niemand abergläubisch war, die aber ihrer Mitschwester dennoch dieses harmlose Vergnügen neideten. Wenn das Wetter es zuließ, hatten sie stets im Klostergarten ein kleines Fest veranstaltet, selbstverständlich zu Ehren der Geburt Johannes’ des Täufers – auch wenn es hundertmal so war, dass an diesem Tag die Sonne am höchsten stand und das Volk sich lieber an den heidnischen Feuerzauber hielt, als still in Flüssen oder Teichen zu baden.
    Dieses Jahr war es also nichts geworden. Barbara warf sich von einer Seite auf die andere, als müsse sie den entgangenen Sprung im Bett nachholen. Irgendwann begann sie zu grübeln, ob dieses Versäumnis sich nicht vielleicht doch rächen könnte. Aber weshalb kam sie darauf? Weil Bernward es im Scherz ausgemalt hatte? Oder nur ganz einfach deshalb, weil die Kette dieser liebgewonnenen Gewohnheit gerissen war und so etwas wie eine Katerstimmung hinterließ? Auf keine von beiden Fragen fand sich eine Antwort und Barbara entschied, wenn sie schon nicht einschlafen könne, dann doch an den zurückliegenden Abend zu denken. An Rieckes leichten Sommersalat mit den aromatischen Waldkräutern und an die drei Ruinarts, die sie, Cees und Bernward geleert hatten.
    Es war ein launiger Abend gewesen. Schließlich hatte sie sich ganz besonders auf den Justitiar gefreut. Trotzdem, Barbara grummelte es halblaut vor sich hin: »Er ist schuld«.

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