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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Obwohl Bernward mit seinen herrlich gedrechselten Komplimenten und seiner guten Laune alles wettgemacht hatte, waren seine raffinierten Annäherungsversuche wie das Salz in der Suppe gewesen. Doch Cees hatte er damit nicht im geringsten eifersüchtig machen können, vielmehr schien er das Spiel seines besten Freundes zu genießen. Immerhin ging er morgen auf eine dreimonatige Geschäftsreise und ließ sie allein – jetzt konnte sie ein Vierteljahr darüber grübeln, was wohl in dem Brief stand, von dem sie ganz offensichtlich nichts wissen sollte. Heimlich hatte er ihn Bernward zugesteckt, was sie zufällig durch einen Spiegel gesehen hatte. Aber warum?
    Barbara versuchte, sich ein Leben an der Seite ihres einstigen Hochzeitsladers vorzustellen, doch ihre Phantasie ließ sich nicht dazu bewegen. Statt dessen tönte ihr ein Vers Rieckes in den Ohren, den die Haushälterin Bernward mit erhobenem Zeigefinger vorgetragen hatte. Riecke durfte sich alle Freiheiten nehmen, denn Cees hing an ihr wie das Kind an der Großmutter. Er hatte sie kurz vor Mitternacht eingeladen, mit ihm auf eine erfolgreiche Reise anzustoßen, gerade als Bernward wieder ein ziemlich schlüpfriges Kompliment angebracht hatte. Da passte ihr Verslein gut: »Die Schönheit, die uns lockt, ist Huld und süßes Wunder, die Schönheit, die gekost´, ist wüster Dreck und Plunder.« Ein Knittelvers, der, wie Riecke meinte, mit Geheimtinte auf den Visitenkarten aller Schürzenjäger geschrieben stehe und immer dann sichtbar werde, wenn die galanten Herren Kavaliere ihr Mütchen am Busen der Schönen gekühlt hätten.
    Barbara war sich nicht sicher, ob Riecke ihr eine affair d’amour zutraute, aber sie gestand sich ein, dass ihr die Vorstellung, verführt zu werden, alles andere als Unbehagen bereitete. Was hatte sie denn bis jetzt von echter Lust gekostet? Allenfalls ein wenig Brühe, in der man stochern musste, um ein Häppchen Festes zu finden. Wenn Cees sie doch nur etwas mehr begehren würde! Ihren Zärtlichkeiten begegnete er, als fürchte er, sich Ausschlag zu holen. Gestern Nachmittag, als sie nach langer Zeit wieder einmal zusammen einen Spaziergang in die Reben gemacht hatten, waren sie natürlich auch auf Besuch bei ihrem eichenen Grenzwächter. Um Erinnerungen aufzufrischen, wie sie vorgeschlagen hatte. Schließlich hatte sie Cees hier das Ja-Wort gegeben. Aber statt nun wenigstens ein kleines bisschen zu schwärmen, begann Cees, Betrachtungen über den Nutzwert des Riesenbaumes anzustellen. Einmal in seinem Leben, hatte er gesagt, wolle er so einen Giganten zu Geld machen. Dann begann er ihr zu erklären, dass in einem guten Sägewerk auch aus den krummen Haupt- und Nebenarmen noch prächtige Vierkänter geschnitten werden könnten. Fast jeder Preis wäre in Holland für solche Kaliber zu verlangen. Taugten sie doch für Deckenbalken, Kranarme, Masten und Brücken. Und selbst der krummgewachsene Abfall eignete sich noch gut als Werkholz. Viele Äste wären ja Bäume für sich! Und solch eine Krone, fachmännisch ausgeschlachtet, brächte soviel wie ein Floß Tannen. Aber erst der Stamm! Gar nicht vorstellbar wäre das Vergnügen, ihn durch die Sägeblätter zu stemmen und dabei zuzuschauen, wie mit jeder Lage Holz der Gewinn wachse – für einen rechten Händler in diesem Gewerbe die Erfüllung!
    Verstört hatte sie dies mitanhören müssen. Regelrecht begeistert hatte sich Cees an seinem Wunsch. Hatte den Stamm sogar genießerisch getätschelt. Im Stillen hatte sie ihren Chevalier de chêne um Verzeihung gebeten, immer wieder. Und sich bei Cees eingehakt, um ihn wegzuziehen. Noch nie war er ihr so wenig liebenswert vorgekommen und die Kälte, die sie im Schatten des Baumes frösteln gemacht hatte, war bis Bernwards Eintreffen nicht aus ihren Gliedern gewichen. Cees natürlich hatte vorgeben, dass ihm nicht das Geringste aufgefallen sei. Doch hatte er nicht gespürt, wie der Baum auf einmal drohte? Hatte er kein Gefühl dafür, dass seine Aura Hass verströmte? Aber er, er hatte ja auch nicht gemerkt, wie rabenschwarz die Eiche aus der Entfernung ausgesehen hatte. Wie ein gewaltiges Skelett, dessen Knochen zu Lanzen geworden waren, wie der Gevatter Tod, der auf einem tausendjährigen Stamm die Arme ausbreitete.
    Barbara schreckte auf. Es dämmerte bereits und die Vögel sangen. Cees würde bald aufstehen. Hatte sie im Wachtraum gelegen? Auf einmal machte es ihr nichts mehr aus, dass sie drei Monate allein bleiben sollte. Riecke war ja im

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