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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Kuppeldienst.
    Barbara saß inmitten ihrer Reben und schaute gerade in den Himmel, der sich vom Rhein her zu einer dunklen Wetterwand, in der gewaltige Gewittertürme aufragten, zusammengeschoben hatte. Als sie Bernhard sah, winkte sie ihm zu, zeigte aber gleich auf den drohenden Horizont und dessen dunkelviolette Farben.
    Ihre alten Rebstöcke hätten ja erstaunliche Kraft entfaltet, begrüßte sie Bernhard. Schon die dickpelzigen Augen im Frühjahr hätten es verraten. Die Fruchtansätze seien so vielversprechend gewesen, dass es tatsächlich ein Verbrechen gewesen wäre, die Knorren herauszuhauen. Da habe er sich kräftig geirrt, doch jetzt beglückwünsche er sie aufrichtig. Ein ganzes Rebstück zu vergruben, um aus den umgelegten Stöcken neue zu ziehen, hätte ihren Wunschtraum sonst gleich zu einem Alptraum werden lassen – zwei bis drei Jahre nur Schufterei ohne nennenswerten Ertrag.
    Bernhard plauderte fachmännisch und schenkte dem leisen Donnergrollen keine Aufmerksamkeit. Barbara nickte zufrieden und wies auf die großen Trauben, die für diese Zeit schon schwer herabhingen. Ihre erste Lese werde einen guten Wein geben, sagte sie selbstbewusst. Neben Räuschling und Weißburgunder hätten sich ein Teil der Rebstöcke als Elbling und Ruländer entpuppt. Da könne sie herrlich panschen, lachte sie. Anderes bliebe gar nicht übrig. Von jeder Sorte habe sie eigentlich zu wenig, aber Not mache erfinderisch. Aber wenn die Schnitzers etwas von ihrem Weißburgunder loswerden wollten: sie nähme ihn mit Vergnügen!
    Bernhard hatte gleich gesehen, dass Barbaras Kleidung zu den Laubarbeiten nicht unbedingt passte. Die gelbe, spitzovale Korsage war ein klein wenig zu ausgeschnitten und der schmale weiße Rüschensaum ihres Hemds, der den vollen Busen umspielte, musste jedem Blick nach einiger Zeit die Unschuld rauben. Daran änderte auch die derbe schmutziggraue Schürze nichts, weil sie immer noch genug von dem grünfarbenen, in reichen Falten schwelgenden Rock preisgab. Und seit wann trug man in den Reben Schuhe mit solchen Absätzen, aus Stoff und geschnürt? Wozu das Parfum? Etwa um die Fliegen abzuwehren?
    »Ich hab’ wohl meinen Brechstuhl umsonst mitgenommen«, sagte Bernhard. »Bis zu den ersten Tropfen wird’s grade langen, diese Zeile zu Ende auszuputzen.«
    »Und wenn’s nur die eine ist«, entgegnete Barbara. »Solange wird sich der Himmel schon zurückhalten. ‘s blitzt ja noch nicht.«
    Sie machte den Vorschlag, Bernhard solle am Rebzeilenende beginnen. In der Mitte würde man sich treffen. Wer zuerst sein Soll geschafft habe, dürfe das letzte Bonbon essen. Sie zog eine blassrote Papiertüte unter ihrer Schürze hervor und markierte damit die Mitte des zu bearbeitenden Stücks. Ein sanfter Wind belebte jetzt die Schwüle, aber er brachte noch keine Erfrischung. Dafür war es richtig dämmrig geworden und das Donnergrollen rückte unaufhaltsam näher. Wie zwei ehrgeizige Kinder arbeiteten sie um die Wette und als der erste Blitz in der Ferne aufzuckte, war Bernhard an der Tüte – wenige Schritte vor Barbara.
    »Gewonnen!« jubelte er und wedelte triumphierend mit der Tüte.
    »So verdient, so gelohnt!« erwiderte Barbara und klatschte Beifall. »Es ist wirklich das letzte Bonbon!«
    »Leider«, sagte Bernhard und kullerte es genießerisch im Mund. »Trotzdem möchte ich’s mit Zinsen vergelten. Habt Ihr nicht Appetit auf einen kräftigen Schluck und ein Stück von Mutters Zopf?«
    »Das ist genauso überraschend wie aufmerksam«, sagte Barbara. »Doch hier draußen wird’s nichts mehr werden. Ich glaub’, ich hab´ den ersten Tropfen abgekriegt.«
    Bernhard streckte einen Arm aus und schüttelte den Kopf. Der Wind war jetzt stärker geworden, doch immer noch sehr warm. Es donnerte in kurzen Abständen, aber noch war kein rechter Zusammenhang zu den Blitzen auszuzählen, die auf der anderen Seite des Rheins das Land bereits grell überzogen.
    Barbara schaute Bernhard erwartungsvoll an, dabei streifte ihr Blick den Eichbaum. » Oh, mon chevalier , unser Grenzwächter!« deklamierte sie emphatisch. »Er sicher wird ‘alten sein grünes Dach über unsere Kopf? Oui? «
    »Bei Gewitter?« rief Bernhard ihr ungläubig nach, denn Barbara war schon losgerannt. »Habt Ihr keine Angst?«
    »Die kann warten!« rief sie zurück, ohne sich umzudrehen. » Allons Monsieur ! Isch ab ‘unger!«
    Mit ein paar Schritten hatte Bernhard sie eingeholt und fasste im Laufen ihre Hand. Ausgelassen ließen sie sich

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