Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
Haus. Und, so dachte sie, es war richtig, dass diesmal sie es gewesen war, die das Beilager verweigert hatte. Cees hatte gemeint, sich zur Stillung ihrer schwelenden Begierden mit einem Abschieds-Tête-à-Tête verabschieden zu müssen. Aber sie hatte abgelehnt. Zu seiner höchsten Zufriedenheit.
Langsam füllten sich Barbaras Augen mit Tränen. Etwas war in ihr zerbrochen. Cees hatte Geheimnisse. Warum sonst hatte er ihr nichts von dem Brief erzählt? War sie etwa auch für ihn nur die dumme Nonne, die zufrieden war, wenn man sie auf ein paar Glas Champagner einlud?
12
Bernhard schnappte nach Luft, als ihm Jenne wieder einen eiskalten Guss verabreichte. Nackt stand er in einer Gartenecke, hinter großen Sonnenblumen, Bohnen- und Hopfenstauden, zwischen Wermutgestrüpp und Salbeisträuchern, vor sich Klatschmohn, Kornblumen, Margeriten und Kräuter. Die Feldsteine, die zu einem schmalen Weg durch die blühende Pracht gelegt waren, strahlten wohlig ihre Wärme an die Füße ab, so dass Bernhard schon eine Stunde hier stand, Jenne um sich herum, die ihn einseifte und durchknetete. Das Wasser brachte Boden und Kräuter zum Duften und hüllte ihn in eine zarte Wolke aus Kamille, Minze und Thymian. Vier Eimer eisiges Brunnenwasser hatte er herangeholt und immer wieder feuerte er Jenne an, ihn mit einem neuen Guss zum Prusten zu bringen. Jenne tat es gern, denn es brachte ein klein wenig Abwechslung in die Hausarbeit, die an diesem ersten August genauso langweilig wie sonst auch war. An die schwüle Hitze hatte sie sich noch am schnellsten gewöhnt, trotzdem war auch sie froh, dass sich seit Mittag die Sonne hinter einem milchig-grauen Himmel versteckt hielt.
Es war nicht ungewöhnlich, dass Bernhard sich auf diese Art erfrischte, ungewöhnlich für Jenne war nur, dass er es jetzt, am frühen Nachmittag tat. Den Vormittag über hatte er die üblichen Laubarbeiten in den Reben verrichtet, stundenlang auf dem umgeschnallten einbeinigen Brechstuhl gesessen und die Reben von überflüssigen Geiztrieben gesäubert – zusammen mit seinem Vater, der sich zuerst ans Falgen, also Unkrauthacken, gemacht hatte, dann in der Hitze aber aufgeben musste. Jetzt lag Jacob im Bett und hielt seinen Mittagsschlaf. Schließlich war er nicht mehr der jüngste.
»Ich denk’, du willst wieder aufs Ausputzen gehen?« fragte Jenne. »Glaubst etwa, auf’m Brechstuhl ist’s bequemer, wenn du duftest wie eine Brautjungfer?«
»Jenne«, erwiderte Bernhard energisch, »es gibt einen Unterschied zwischen duften und nicht stinken. Mir geht’s um das letzte. Duften tun höchstens Weiber. Aber nur dann, wenn es welche von Stand sind.«
»Oh, vielen Dank!« rief Jenne amüsiert, während sie Bernhard mit Franzbranntwein abrieb. »Der Herr sagt’s der Magd grad heraus. Ich bin also nichts für Schnitzersche Nasen. Für dich riech’ ich wohl wie die Kreuzung zwischen einer Sau und einem Nachtstuhl, wie?«
Bernhards Antwort war eine ihr zugewedelte Duftwolke. Ohne das geringste Schamgefühl räkelte und streckte er seinen muskulösen Leib, schnüffelte an sich herum und gab der Magd dann ganz plötzlich einen Kuss auf die Wange. Verdutzt blickte ihn Jenne an, denn dass ein Mann sich an ihr Gesicht wagte, zudem noch mit seinem Mund, dies war ein Ereignis, das in ihrem Leben bislang kaum vorgekommen war.
»Du bist die würdige Ausnahme!« rief Bernhard, nahm ihr die Flasche mit dem Franzbranntwein aus der Hand und massierte sich Knie und Schenkel ein. »Und wenn du’s Wasser nicht nur zum Trinken nähmst, ich tät’ mich nicht grausen, dich an den Stellen abzuschnuppern, wo ich, bei allen Unterschieden zwischen uns beiden, jetzt gewiss ganz sauber bin.«
»Mir scheint, die Sonne war heut zu viel für dich, Bursche«, sagte Jenne streng und blickte Bernhard böse an. »Deine Phantasie gehört eingesperrt. Wenn’s heut gewittert, möcht’ ich dir nicht über den Weg laufen.«
»Das ist doch wohl stark übertrieben«, grummelte Bernhard und schaute Jenne keck an, denn er fand, der Magd ein Kompliment gemacht zu haben. Er, der schöne Bernhard, der Pocken-Jenne. Dass so etwas bei ihm immer etwas blumiger ausfiel, war ein Zug seines Wesens, ein Stück Schauspielerei, das alle eigentlich gut kannten.
Freilich konnte er nicht wissen, worauf Jenne anspielte: Dass sie vor vielen Jahren, nach dem Tod Ludwig Heiterens, bei einem Gewitter von Jacob vergewaltigt worden war, hatte sie niemandem je erzählt. Im Stall war es passiert, als sie mit ihm
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