Bluthunde
zehn Schritte genähert. Verflixt, er konnte kein Wort verstehen, die sprachen nicht deutsch.
Er horchte.
Und überlegte, wie er vorgehen sollte. Wenn da Leute waren, dann bestand immer die Gefahr, dass sie ihn bemerken und stellen würden. Dann müsste er sein Verhalten erklären. Um diese Uhrzeit nicht ganz einfach, fand Struller, aber natürlich machbar. Mit einem Mal …
Struller schlug eine Hand vor die Stirn. »Mann!«
Das war gar kein Gespräch. Es war zwölf Uhr und ein Jingle kündigte die Nachrichten an. Verdammt, da lief ein Radio. Struller entspannte sich. Da hatte jemand vergessen, sein Radio abzuschalten, er hatte einer Reportage oder einer Diskussion gelauscht. Englisch, das war Englisch. Ein englischer Sender.
Struller reckte sich die Anspannung aus den Schultern und trat an den klapprigen Wohnwagen. Wo er mal da war, wollte er auch mal kurz reinsehen. Er legte eine Hand auf den Kipphebel, der als Türgriff diente … und erkannte in diesem Moment zweierlei. Einmal, dass die Tür nicht verschlossen war und dann – jetzt schräg zum Fenster des Wohnwagens stehend –, dass ein feiner Lichtstrich von drinnen nach draußen schien.
Er entschloss sich, die Tür
nicht
zu öffnen.
Aber im selben Moment wurde sie kraftvoll von innen aufgestoßen. Hart knallte der Türrahmen gegen seinen Kopf. Struller stöhnte, taumelte einen Schritt nach hinten und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Ein Mann erschien mit überraschtem, fragendem Gesichtsausdruck im Türrahmen. Struller riss seine Waffe nach vorne. Der Mann zuckte zusammen und rief etwas in einer Sprache, die Struller nicht verstand. Kein Englisch, sondern etwas Asiatisches.
»Polizei«, rief Struller und wackelte mit der Pistolenmündung.
Der Mann blieb wie angewurzelt stehen und hob entsetzt die Hände. Struller begriff, dass der kleine, asiatische Kerl ihn nicht angegriffen hatte, sondern nur zufällig in dem Moment aus dem Wohnwagen getreten war, als er selbst den Lichtschein im Fenster entdeckt hatte.
»Bitte«, flüsterte der Mann.
»Die Hände bleiben oben!«, befahl Struller und winkte dem Mann gleichzeitig, ein Stück zur Seite zu treten und den Türeingang frei zu machen. Der kleine, dünne Mann, der eine graue Trainingshose und ein viel zu großes, dreckiges, weißes T-Shirt trug, trippelte vorsichtig ein paar Schritte zur Seite. Struller schniefte und trat an die geöffnete Tür. Der Mann stand mit erhobenen Händen starr, ohne Bewegung. Seine Knie mochten ein wenig zittern. Fand Struller nicht schlimm.
Blitzschnell warf er einen Blick hinein in den Wagen. Helles Licht, und er erkannte auf den ersten Blick mehrere besetzte Schlafstätten. Alles schlief, bis auf eine Frau, die ihn mit großen Augen anstarrte und sich ängstlich eine Wolldecke an den Körper drückte.
Was hatte das denn jetzt zu bedeuten? Wo war er denn hier gelandet?
Um alle Personen gleichzeitig im Blick haben zu können, trat er einen Schritt zurück und dirigierte den ersten Asiaten in den Wohnwagen. Der folgte dieser mit der Pistolenmündung stumm vorgetragenen Bitte unverzüglich, kletterte in den Wagen, setzte sich neben die Frau und legte einen Arm um sie.
»Sprechen Sie deutsch?«, fragte Struller flüsternd, ganz leise, um niemanden aufzuwecken.
Der Mann nickte. »Ein wenig.«
»Sie brauchen keine Angst zu haben, ich tue Ihnen nichts.«
Der Mann nickte. Blass im Gesicht. Er glaubte Struller nicht, das war ihm anzusehen.
Struller schnippte mit der linken Hand das Radio aus, der Nachrichtensprecher brach ab. Verwirrt zählte Struller die schlafenden, teilweise übereinanderliegenden Leiber und konnte das Ergebnis kaum fassen. In diesem normal großen, vergammelten Wohnwagen schliefen mindestens neun Personen. Auf den Bänken, auf den Tischen und auf dem Fußboden. Unter den Personen waren auch Kinder und ein Baby. Ein Teil des Wageninneren war durch eine provisorisch eingezogene Spanplatte abgetrennt. Auf der anderen Seite schliefen vermutlich noch mehr. Es stank schlimm nach menschlichen Ausdünstungen aller Art. Mindestens einer der Schlafenden schnarchte. Ein Wunder, dass Struller überhaupt das Radio hatte hören können.
Struller ruckte mit der Pistole. »Ich tue euch nichts. Was macht ihr hier?«
»Wir hier wohnen«, erklärte der Asiat.
»Arbeiten?«
»Nix arbeiten«, antwortete der Mann sofort, aber Struller hatte bemerkt, dass die Frau an seiner Seite genickt hatte.
»Sprechen Sie auch deutsch?«
Sie verneinte, indem sie heftig mit dem
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