Blutige Asche Roman
sonst streiten?«, fragte mein ehemaliger Zellengenosse laut. »Dass man mir jeden Tag in der Bibliothek sagt, dass Seventeen ausgeliehen ist? Schon wieder? Wer hat das Heft eigentlich?«
»Eddie …« Mehr sagte Janneke nicht.
»Ja, Liebste?«
»Ich kann verstehen, dass du manchmal aufsässig wirst. Aber wenn du so weitermachst, hat das Konsequenzen.«
»Logisch, klar.«
Das Essen wurde auf die Teller gefüllt und weitergereicht.
»Es gibt doch nichts Besseres als ein anständiges Stück Fleisch.« Henk begann sofort, an seinem Kotelett herumzusäbeln. Der Blitz an seinem Ohr zitterte. »Stimmt’s, Ray?«
Ich probierte von den Kartoffeln. Sie schmeckten nach gar nichts. Abominable .
Henk warf Janneke einen vielsagenden Blick zu, aber die sprach mit ihrem Nebenmann. »Erwartest du bald Besuch?«, fragte er mich anschließend.
»Nein, eigentlich nicht«, sagte ich. »Vielleicht.«
»Oh. Aber wenn, gibst du mir Bescheid.«
»Wieso?«
Er sah wieder zu Janneke hinüber. »Weil man hier bestimmte Dinge nicht bekommt. Obwohl man sie braucht, wenn du verstehst, was ich meine.«
Ich schnitt ein Stück von dem Kotelett ab und steckte es mir in den Mund. Es schmeckte einigermaßen.
»Ich werde dir genau erklären, wie du das Zeug reinschmuggeln kannst. Aber dafür musst du mir natürlich auch einen Gefallen tun. Das verstehst du doch, oder? Eine Hand wäscht die andere.«
Das Gemüse waren Prinzessböhnchen, an denen die Fasern noch dran waren.
»Sag mal, Ray.« Janneke wandte sich an mich. »Stimmt es, dass du Bäcker gewesen bist?«
Ich sah mich kurz um. Es gefiel mir nicht, viel von mir preiszugeben. »Ja«, flüsterte ich.
»Erzähl doch mal. Ich habe zu Hause eine Brotbackmaschine. Ich befolge das Rezept ganz genau, aber das Brot wird trotzdem klitschig.«
»Verwendest du Hefe?«
»Ja.«
»Sauerteig. Du musst Sauerteig nehmen.«
»Wirklich?« Sie hatte schöne Augen und sah mich auf eine Art an, dass mir ganz warm wurde. Das hatte ich schon lange nicht mehr gespürt. Was wollte sie von mir?
»Ich kann dir das Rezept geben. Das kann man ganz leicht selbst machen.« Ich geriet ein wenig ins Stottern.
»Reetje versucht, Frauen zu beeindrucken«, rief mein ehemaliger Zellengenosse laut. Alles lachte.
»Eddie, das ist die letzte Warnung«, sagte Janneke. »Noch so ein Regelverstoß, und du bekommst für den Rest der Woche Stubenarrest.«
»Bei der musst du aufpassen.« Henk beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr. Das war mir unangenehm. Seine Zähne waren braun, von diesem Fäulnisprozess hielt ich lieber Abstand. »Die ist die Allerhinterhältigste hier. Aber sie findet es total geil, hier zu arbeiten. Das sieht man sofort.«
13
»Wie bitte? Was sagtest du gerade?«
»Du weißt genau, wovon ich rede, Mam. Wer ist Ray Boelens?« Aron lag im Bett, und endlich gestand uns die slowenische Telefongesellschaft ein Gespräch zu.
Am anderen Ende der Leitung wurde es plötzlich still. Eine empörte Stille, in der nach einem Schwall von Worten gesucht wurde. »Meine Güte, Iris. Ich dachte schon, es ist etwas Schlimmes passiert. Ich habe hundert Mal versucht, dich zu erreichen. Begreifst du nicht, dass ich in Urlaub bin? Und jetzt fängst du mit diesem Unsinn über irgendeinen Ray Boelens an. Musst du mich ausgerechnet jetzt damit belästigen?«
»Wer ist das denn?«
»Das ist vollkommen unwichtig.«
»Aha! Du willst es mir nicht sagen. Aber so machst du es nur interessanter.«
»Iris, hör auf. Hast du nichts Wichtigeres zu tun? Dein Sohn ist auch noch da. Das geht dich nichts an.«
Ich hatte nicht vor, mich von Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen, obwohl mich die Bemerkung über Aron wütend machte. Was sollte das? »Keine Ahnung, ob mich das was angeht oder nicht. Aber wenn ich nicht weiß, wer Ray Boelens ist, kann ich auch nicht beurteilen, ob es gerechtfertigt ist, dass ich mich mit ihm beschäftige.«
»Ich sag es noch einmal, laut und deutlich: Das geht dich
nichts an. Und wenn du vorhast, noch weiter in meinem Leben rumzuschnüffeln, dann geh lieber wieder zu dir nach Hause. Ich ruf die Nachbarin an und frage, ob sie sich um die Blumen und das Aquarium kümmern kann.«
»Ray Boelens ist also ein Bestandteil deines Lebens. Inwiefern?«
»Heb dir deine Anwalttricks lieber für den Gerichtssaal auf.«
»Warum wirst du so wütend? Wovor hast du Angst?«
»Vor gar nichts«, sagte sie nachdrücklich, aber etwas zu schnell.
»Komm schon! Was ist so schlimm daran? Warum darf ich
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