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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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nicht wissen, wer das ist? Hast du Angst, ich könnte dahinterkommen, dass du doch nicht so vollkommen und unfehlbar bist, wie du immer tust?«
    Sie drückte mich weg. Oder aber die slowenische Telefongesellschaft hatte genau in diesem Moment beschlossen, unser Gespräch zu beenden.
    Ich rief zurück, aber es ging nur ihre Mailbox dran. »Wir waren noch nicht fertig, liebste Mama. Ruf mich zurück«, sprach ich auf Band, wohlwissend, dass sie das sowieso nicht tun würde.
    Müsste ich meine Mutter beschreiben, würde ich mich für das Wörtchen »angemessen« entscheiden. Sie hatte alles stets vorschriftsgemäß erledigt: der Tee nach der Schule, die gesunden Mahlzeiten, das orthopädisch korrekte Schuhwerk, das Abholen und Bringen von oder zu geeigneten Veranstaltungen, bis hin zu dem hübschen Sümmchen, mit dem ich mein erstes Zimmer einrichten konnte, als ich von zu Hause auszog. Ich hatte keinen Grund, mich über eine Mutter wie sie zu beklagen.

    Und trotzdem konnte ich mich dem Eindruck nicht ganz entziehen, dass es immer genau darum gegangen war. Das war das A und O ihrer Erziehung gewesen: Hauptsache, man kann mir nichts vorwerfen.
    Als ich ungefähr fünfzehn war, hatte Bienie einen Joint von ihrem älteren Bruder bekommen. Sie zeigte ihn mir zwischen Französisch und Wirtschaft und Recht II. Wir rauchten damals manchmal heimlich eine Zigarette hinter dem Fahrradschuppen, aber einen Joint hatten wir noch nie geraucht. Laut Bienie tat es ihr Bruder jeden Tag, und man wurde ganz mellow davon.
    Ich betrachtete das tütenförmige Ding. »Wo willst du denn rauchen? Und wann?«
    »Nach der Schule, im Amsterdamse Bos«, sagte Bienie, als sei das die normalste Sache der Welt.
    Ich war schockiert, aber auch neugierig. »Okay«, sagte ich damals. »Machen wir.«
    Das Zeug hatte kaum eine Wirkung auf mich. Wir reichten uns abwechselnd den Joint wie sonst unsere Zigaretten, nahmen einen vorsichtigen Zug, starrten in die Luft und warteten auf das, was nun kommen würde. Wir lagen im Gras mit je einem Kopfhörer meines Walkmans im Ohr und hörten Womack & Womack.
    »Ich fühl mich total entspannt«, sagte Bienie. »Merkst du schon was?«
    »Ich glaube schon.«
    »Wusstest du, dass man einen Lachkrampf davon kriegen kann?« Sie kicherte beinahe, während sie das sagte.
    »Echt?«
    »Ja. Vor allem von dem Zeug hier, sagt mein Bruder.«
    »Das wäre schön.«

    Danach sangen wir lauthals mit: »Next time I’ll be true. I’ll be true. I’ll be true.«
    Als ich nach Hause kam, hatte ich ein wenig Kopfschmerzen und fühlte mich schläfrig.
    »Du bist aber spät.« Meine Mutter sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Alles in Ordnung?«
    Ich murmelte irgendwas von wegen Hausaufgaben und wollte in mein Zimmer verschwinden, aber sie hielt mich zurück. »Wo bist du gewesen?«
    Sie blähte die Nüstern. »Iris, hast du Drogen genommen?«
    Mir wurde so warm, dass ich wusste: Lügen war zwecklos.
    Sie sah mich einen Moment sprachlos an und wirkte schockiert. Ich rechnete mit einer Strafpredigt, einer Schimpfkanonade und mit mindestens einer Woche Hausarrest. Aber stattdessen sagte sie: »Wir machen heute Abend einen kleinen Ausflug. Und jetzt mach dich frisch, du stinkst.«
    Beim Abendessen schwiegen wir. Ich sah ein paarmal Hilfe suchend zu meinem Vater hinüber, in der Hoffnung, dass er mir half oder zumindest normal mit mir umging. Aber auch der starrte stoisch vor sich hin und kaute auf dem Essen meiner Mutter herum, das zu achtzig Prozent aus Gemüse und zu zwanzig Prozent aus magerem Rindfleisch bestand.
    »Und jetzt komm mit! Nein, du brauchst keine Jacke anzuziehen, es geht nicht darum, dass du dich wohlfühlst.«
    Wir fuhren in die Innenstadt von Amsterdam. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie mit mir hinwollte, und dachte an einen Psychiater oder eine psychosoziale Beratungsstelle. Aber stattdessen fuhr sie direkt in die Stadtmitte, bis ans Ij. Sie parkte den Wagen in der Prins Hendrikkade. »Und jetzt steig aus.«

    Ich lief hinter ihr her, in Richtung de Wallen. Die Umgebung des Voorburgwal war damals noch nicht so ein nettes Touristenviertel wie heute. Es gab Ecken, die sogar die Polizei mied.
    Es dämmerte bereits, als wir an den in rotes Licht getauchten Schaufenstern vorbeiliefen. Ich hatte von dem Rotlichtbezirk gehört, war aber noch nie dort gewesen. Aber meine Mutter bewegte sich hier wie an einem Samstagabend im Supermarkt. Ich schielte so unauffällig wie möglich zu den Mädchen in den Schaufenstern,

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