Blutige Asche Roman
beim Frühstück eine kleine Auseinandersetzung.«
Ich ging langsam zum Auffangbecken und blieb davor stehen.
»Hose runter.«
Ich fummelte am Knopf meiner Jeans herum. Meine Hände zitterten so, dass ich es kaum schaffte, den Hosenschlitz aufzumachen. »Es geht nicht.«
»Geht das schon wieder los!«, sagte die Schwester.
Der Knopf löste sich, und der Reißverschluss glitt nach unten.
»Hose runter.«
Es war kalt in dem gefliesten Raum. Ich dachte an meine Fische, die in gefiltertem, pH-neutralem Wasser bei einer Temperatur von 26 Grad Celsius herumschwammen.
»Was stehst du hier blöd rum?«
Ich zog die Hose runter, danach die Unterhose. Im Spiegel sah ich, wie mein Pimmel hilflos herabbaumelte. Ich packte ihn und stellte mich vor das Auffangbecken.
»Hemd hoch«, keifte mich die Schwester an.
Ich ließ den Pimmel los und schob mein Hemd bis zu den Achseln.
»Und jetzt in den Behälter pinkeln.«
Der Pimmel weigerte sich, das spürte ich. Trotzdem machte ich weiter und versuchte mit Gewalt zu pinkeln.
»Immer dasselbe«, sagte die Schwester. »Hat er heute genug getrunken?«
»Ich glaube schon«, sagte der Soziotherapeut mit der Brille. »Anscheinend macht er sich Sorgen, was wir wohl in seinem Urin finden werden.«
»Aber das letzte Mal war er sauber.«
»Ich kenne meine Pappenheimer.«
Ein paar Tröpfchen quollen aus meinem Pimmel. Und dann kam ein ganz dünner Strahl.
»Zieh dich wieder an.«
Während ich meine Hose hochzog, brach ich beinahe in Tränen
aus. »Saturn, Maria, Hannibal und King Kong«, sagte ich laut. »Margje und Peanut. Venus und Rosine. Und François.«
»Was faselt der da?«, fragte der Wachmann.
Während wir zurückliefen, lauschte ich auf meine Stimme, die die Namen meiner Fische aufzählte. Immer wieder von vorn.
»Ich glaube, es ist besser, du bleibst für den Rest des Tages auf deinem Zimmer«, sagte der Soziotherapeut mit der Brille.
Aber man ließ mich nicht in meiner Zelle. Anstatt dass ich meine Fotos anschauen und sortieren konnte, nahm man mich sofort beiseite. Ich musste ins Sprechzimmer kommen.
Dort wartete Janneke bereits auf mich. Ich hatte sie mehrere Tage nicht gesehen und vermisste die Gespräche über den Mutterteig, den sie nach meinen Anweisungen züchtete. Natürlich hatte sie nicht die technischen Möglichkeiten, den Mutterteig bei konstanter Temperatur aufzubewahren, aber so wie es sich anhörte, lief es ziemlich gut.
Ich unterhielt mich gern mit Janneke, vorausgesetzt, es sahen mir nicht allzu viele dabei zu. Sie gab mir das Gefühl, jemand zu sein, der sich mit etwas auskannte. Andererseits machte sie mich nervös. Vor allem, nachdem Rembrandt von mir verlangt hatte, sie in den Hintern zu kneifen, weil sie das so wolle. Ja vielleicht sogar von mir erwartete. Ich versuchte zu beurteilen, ob das stimmte, und wenn ja, wann ich zupacken sollte. Aber ich kam zu keinem rechten Schluss.
Einmal hatte sie mich gerufen, über ihre Schulter hinweg, während sie an der kleinen Küchentheke auf der Station ein Brot schmierte. Sie trug eine hautenge Jeans, die über dem Po
spannte. Ihr Po war dicker als der von Rosita, aber vielleicht genauso schön.
Ich war auf sie zugelaufen und konnte mich gar nicht von ihrem runden Po losreißen, von ihren boules campagnes . Ich hatte Herzklopfen und bekam kaum noch Luft, wegen des Drucks in meiner Brust. Das könnte der richtige Augenblick sein. Ich stellte mich dicht hinter sie und wollte die Hand ausstrecken. In diesem Moment drehte sie sich um. »Machst du mir das Glas hier auf? Ich schaff das nicht.«
»Setz dich, Ray.« Janneke klang anders als sonst, wenn sie sich mit mir über ihre Backversuche unterhalten hatte. Unfreundlich. Sie klang unfreundlich. Ich fragte mich, warum. Hatte ich etwas falsch gemacht? War der Mutterteig eingegangen?
Der Wachmann blieb im Zimmer. Normalerweise unterhielt ich mich im Sprechzimmer allein mit den Soziotherapeuten. Was wollte dieser Mann hier? Was hatten sie vor?
Janneke stützte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Hände und holte tief Luft. »Während du bei der Drogenkontrolle warst, haben wir dein Zimmer durchsucht. Das ist so üblich und wird meist gemacht, nachdem ein Bewohner zum ersten Mal Besuch bekam.«
Besuch. Die Frau, die Iris Kastelein hieß und behauptete, meine Schwester zu sein. Die Frau, die mir Fotos von meinen Fischen gebracht hatte. Ich hatte es am Ende doch schön gefunden, dass sie gekommen war. Aber jetzt war ich mir
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