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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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er Strafe vermeiden will und nicht, weil er tatsächlich einsieht, dass es falsch ist, anderen Schmerzen zuzufügen. Lässt man ihn frei, wird er es das nächste Mal noch geschickter anstellen, damit man ihn nicht fasst. Zum Glück gibt es auch Bewohner, bei denen eine Therapie durchaus sinnvoll ist. Die können ihr Leben ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder selbst in die Hand nehmen.«
    »Ich nehme an, Ray gehört auch in diese Kategorie …«
    Er schwieg einen Moment. Man sah ihm an, dass er keine guten Nachrichten für mich hatte. »Ich frage mich, ob er dem brutalen Alltag hier gewachsen ist. Das ist keine offizielle Theorie, aber es gibt einen geringen Prozentsatz von Bewohnern, die hier nicht klarkommen. Bei ihrer Ankunft geht es ihnen noch einigermaßen, aber schon nach wenigen Monaten sind sie kaum wiederzuerkennen. Wir haben zwar auch Stationen, die Sicherheit und eine gewisse Struktur bieten, aber es dauert immer eine Weile, bis wir sie dort unterbringen können. Zu meinem großen Bedauern kommt das manchmal zu spät.«
    Das Letzte, was ich hören wollte, war, dass Ray es nicht schaffen würde.
    »Er gehört also eigentlich gar nicht hierher.«
    »Das habe ich so nicht gesagt. Das Problem ist, dass es nur wenige Alternativen gibt. Irgendwann hat derjenige seine
Strafe abgesessen, und trotzdem ist esunverantwortlich, ihn freizulassen. Was bleibt also anderes übrig?« Er sah mich so eindringlich mit seinen schönen, beruhigenden Augen an, dass ich ganz verlegen wurde. »Aber jetzt habe ich die ganze Zeit geredet. Was ist denn Ihr erster Eindruck?«
    »Das ist wirklich schwer zu sagen. Irgendwie fühle ich mich ihm verbunden. Aber das kann auch daran liegen, dass ihm mein Sohn so ähnlich sieht …«
    »Wie alt ist Ihr Sohn?«
    »Fast vier. Sein Vater und ich sind nicht mehr zusammen.« Warum erzählte ich ihm das eigentlich?
    »Schön«, sagte Mo. »Nicht, dass Sie nicht mehr mit ihm zusammen sind, sondern, dass Sie einen Sohn haben.«
    Ich befürchtete, rot zu werden, und versuchte in einem möglichst normalen Ton fortzufahren. »Ich höre und lese die schrecklichsten Dinge über Ray. Aber als ich ihn mir bei meinem Besuch so ansah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er zu so viel Gewalt fähig ist. Er wirkt so naiv und unschuldig.«
    »Von seinem Wesen her ist er ein sanftmütiger Mensch.«
    »Das glaube ich auch. Sie lachen mich jetzt bestimmt aus, aber kann es nicht sein, dass er wirklich unschuldig ist?«
    »Nett, dass Sie das immer wieder fragen.«
    »Sehen Sie? Sie nehmen mich nicht ernst.«
    Er lachte. Schöne Zähne. »Natürlich nehme ich Sie ernst.«
    Mit Sicherheit war ich jetzt knallrot im Gesicht. Hoffentlich merkte er es nicht.
    »Sosehr ich Ihnen wünschen würde, dass Ray unschuldig ist - man kommt nicht von ungefähr in die Psychiatrie. Ray wurde im Pieter-Baan-Centrum von den besten forensischen Psychiatern der Niederlande untersucht. Wenn die für eine
Unterbringung in der Psychiatrie plädieren, weiß man, dass irgendwas nicht stimmt.«
    »Natürlich wissen wir, dass mit Ray etwas nicht stimmt. Ich behaupte ja nicht, dass er völlig normal ist. Aber stellen Sie sich mal vor, es war ein Justizirrtum und er wurde zu Unrecht verurteilt. In Rays Fall bedeutet das, dass er nicht nur unschuldig ins Gefängnis kam, sondern anschließend auch noch in die Psychiatrie.«
    Ein amüsiertes Lächeln umspielte Mos Mund.
    »Das könnte doch sein?« Ich glühte inzwischen. Warum hatte dieser Mann nur so eine Wirkung auf mich?
    »Gut, wenn Sie meinen: Möglich wäre es. Theoretisch.« Er sah auf seine Uhr. »Wenn Sie mich kurz entschuldigen, hole ich jetzt Ray.«
     
    Vielleicht klammerte ich mich an Wahnvorstellungen. An eine kindliche Fantasie, in der die Familie wieder vereint wurde und glücklich und zufrieden weiterlebte. Ich sah mich schon an Heiligabend mit Ray, Aron und meiner Mutter um den festlich gedeckten Tisch sitzen. Warum auch nicht?
    Ich hörte Schritte im Flur und richtete mich auf. Meine Achseln waren feucht. Hoffentlich roch man den Schweiß nicht.
    Ray betrat als Erster den Raum, Mo und ein Wachmann kamen hinterher.
    Ich hatte mich auf das Schlimmste gefasst gemacht, aber er sah genauso aus wie beim letzten Mal. Ich glaube, er trug sogar dieselben Kleider. Er stellte keinen Blickkontakt her und schien sich ganz auf die kahlen Wände des Zimmers zu konzentrieren.
    »Darf ich dir die Hand geben?«, fragte ich.

    »Lieber nicht«, sagte Mo aus seiner Ecke. »Wenn der Wachmann und ich

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