Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
spät in der Nacht?«, fragte Murphy. Er trug einen offenen Bademantel, unter dem ein fleckiges Unterhemd und eine Pyjamahose hervorlugten. Seine Pantoffeln passten nicht zusammen.
»Nach oben«, befahl Pyè.
»Weshalb?«, wollte Murphy wissen.
»Parle«, sagte Pyè. »Reden.«
»Wir können doch auch hier unten reden.«
»Non«, lehnte Pyè ab. »Oben.«
Drüben an der Wand entdeckte Fegan sie. Auf dem Wirbel stand C. F. Martin. Sie sah aus wie die Gitarre, die Ronnie ihm überlassen hatte, die gleiche Form und Größe. Der Lack hatte zwar noch nicht die goldfarbene Patina angenommen wie seine, trotzdem war sie schön. Fegan streckte die Hand aus und ließ seine Fingerkuppen über die Saiten gleiten. Den Klang von Ronnies Gitarre hatte er nie zu hören bekommen. Soweit er wusste, stand die immer noch angelehnt in einer Ecke seines alten Hauses in der Calcutta Street.
»He, nicht anfassen«, rief Murphy. »Die ist teuer.«
»Non, non, non«, ging Pyè dazwischen. »Red nicht so Scheiß zu Freund Gerry, verstanden?«
Murphy hob beide Hände. »Tut mir leid, Pyè. War nicht böse gemeint. Sie ist nur teuer, das ist alles.«
»Nicht meinen Namen«, sagte Fegan.
»Sorry«, sagte Pyè.
»Na schön«, sagte Murphy. »Kommt mit.«
Er führte sie durch ein Hinterzimmer bis zu einer schmalen Treppe. »Ich war nicht auf Besuch eingestellt«, erklärte er, als er vor ihnen hinaufstieg. »Sonst hätte ich vorher ein bisschen aufgeräumt.«
Die Tür am oberen Treppenabsatz führte in eine kleine Wohnung, in der es streng roch. Im ganzen Wohnzimmer lagen aufgestapelte Zeitungen herum. Murphy machte eine Runde und hob Pornohefte und leere Bierdosen auf. In der Kochnische bückte er sich und stopfte einen Arm voll Müll unter das Waschbecken.
Fegan und Pyè wechselten einen Blick und verzogen das Gesicht.
Murphy kam wieder hervor. »Also, worum geht es?«, fragte er.
»Setzen«, befahl Pyè.
»Mein Gott, Pyè, du machst mich wirklich langsam nervös. Jetzt komm schon, worum geht es?«
Pyè zeigte auf den einzigen Stuhl, auf dem kein Unrat lag. »Setzen.«
Murphy gehorchte.
Pyè sah Fegan an und wies mit dem Kopf auf einen Punkt hinter dem Stuhl. Fegan ging hin. Murphy verdrehte den Kopf, um Fegan im Blick zu behalten.
»Ihr macht mir Angst, Jungs«, sagte er. Er blickte weiter mit verdrehtem Kopf auf Fegan. »Bist wohl kein großer Redner, wie? Was will er? Kannst du auch sprechen, Mr. No-Name? Oder bist du nur da, um ein böses Gesicht zu machen?«
»Freund Gerry Fegan«, sagte Pyè. »Li schlimmster Scheißkerl, den kannst vorstellen. Li ist Lougawou. Li ist Bòkò, böse Hexe. Li dich macht fertig.«
»Nicht meinen Namen«, warnte Fegan.
»Klar«, sagte Pyè. »Kein Sorge, Gerry.«
»Pyè, ich weiß nicht, was das heißen soll.« Murphy wandte sich erst Fegan und dann dem Haitianer zu. »Und ich habe keine Ahnung, wer zum Teufel dieser Typ ist. Sagt mir, was ihr wollt, und wenn ich kann, kriegt ihr es von mir, in Ordnung ? Aber auf Englisch, okay?«
Pyè achtete sorgfältig auf seine Wortwahl. »Du hast gekauft Schmuck von Doyles. Du hast gesagt, Schmuck ist wert sa viel.« Pyè hob die ausgestreckten Handflächen und trat näher an Murphy heran, dabei hob und senkte er die Hände wie eine Waage. » Sa viel, sa viel. Groß Unterschied Lajan. Hast gesteckt Lajan in deine Tasche, wie?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du überhaupt redest«, sagte Murphy. Er wandte sich auf seinem Stuhl um. »Gerry. Gerry, richtig?«
»Nein«, sagte Fegan. »So heiße ich nicht.«
»Gerry, wovon redet der?«
»Ich bin nicht Gerry«, sagte Fegan. »Ich bin Paddy – Paddy Feeney.«
»Ja, Paddy Feeney«, bestätigte Pyè. Er zeigte auf Fegan. »Paddy Feeney macht fertig.«
Murphy knetete seine Hände. »Gerry, Paddy, wie zum Teufel du auch heißen magst, ist mir auch scheißegal – kannst du mir nur bitte erklären, was zum Henker der mir zu sagen versucht? Was will er?«
»Ich weiß es nicht genau?«, gab Fegan zurück. »Pyè, was versuchst du ihm zu sagen?«
»Lajan!«, rief Pyè. »Doyles wollen Lajan.«
»Was ist ›Lajan‹?«, fragte Fegan.
»Lajan!« Pyè breitete die Arme aus. »Dollar, du Scheißkerl. Dime, Quarter, kaufen, kaufen, kapiert?«
»Geld?«, fragte Fegan.
»Ja, Geld!« Pyè raufte sich verzweifelt die Haare. »Lajan, Geld. Sage ich doch ganze Zeit.«
»Geld?«, fragte Murphy. »Was denn für Geld?«
»Keine Ahnung«, sagte Fegan. »Was für Geld, Pyè?«
»Geld von Doyles«,
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