Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
musste Fegans Hals loslassen. Fegan schlug Pyè mit dem Unterarm aufs Kinn. Dessen Kopf klappte zur Seite, er blinzelte. Fegan verlagerte sein Gewicht und zog Pyès Körper mit, der Haitianer krachte mit leeren Augen zu Boden. Fegan entwand ihm das Messer.
»Stech ihn ab, Gerry«, fauchte Murphy. »Stech ihn einfach ab.«
Fegan sah von der Klinge hoch.
Murphy lag in seinem eigenen Blut, sein Gesicht verzerrt von Wut und Angst. »Los, stech den Scheißkerl doch endlich ab.«
»Nein«, sagte Fegan.
Pyè stöhnte und blinzelte. Seine Augen erfassten Fegan und das Messer. Keuchend kroch er noch weiter zurück.
»Raus hier!«, befahl Fegan. »Sag den Doyles, ich mache ihre Drecksarbeit nicht.«
»Die dich töten, Gerry.« Pyè wischte sich Blut von der Lippe.
»Kann sein«, sagte Fegan. »Los, raus hier.«
Pyè stand auf. Er machte den Mund weit auf und wieder zu, dann schob er den Unterkiefer von einer Seite zur anderen. »Für den da?«, fragte er und sah Murphy an. Er schüttelte den Kopf. »Doyles haben recht. Du bist verrückter Scheißkerl.«
»Verschwinde«, sagte Fegan.
Pyè ging zur Tür. Neben Murphy blieb er stehen. »Bald«, sagte er.
Murphy kroch von ihm weg.
In der Tür drehte Pyè sich noch einmal um. »Bis dann, Gerry.«
Fegan erwiderte nichts und sah ihm nur nach. In der Stille registrierte er Murphys hechelnden Atem.
»Danke, Gerry«, keuchte Murphy und kroch mühsam zum Telefon.
»So heiße ich nicht«, sagte Fegan. Er ging hinüber zum Telefon, hob es hoch und stellte es neben Murphys blutbesudelter Hand auf den Boden.
»Ruf einen Krankenwagen«, sagte er.
Dann überließ er den blutenden Murphy sich selbst.
20
Lennon stand schon wartend im Flur des Reihenhauses, als die Forensiker im Morgengrauen aus Carrickfergus ankamen. Als Erstes machten sie sich über Quigleys Leiche her, während die Fotografen bei Tageslicht Fotos von dem Jungen im Hinterhof schossen. Lennon sah vom Küchenfenster aus zu, seine Augen fühlten sich trocken und heiß an. Für ein paar Stunden war er nach Hause gefahren, hatte aber keinen Schlaf gefunden.
Er musterte die Leiche des Jungen, das himmelwärts gewandte Gesicht, die Plane, die man über Nacht aufgespannt und jetzt wieder weggezogen hatte, um das Tageslicht einzulassen. Der im spitzen Winkel verdrehte Hals ließ vermuten, dass nicht der Schlag auf den Kopf den Jungen getötet hatte. Siebzehn oder achtzehn, höchstens neunzehn. Er trug einen Trainingsanzug und Nike-Sportschuhe, höchstwahrscheinlich gefälschte, die er irgendwo an einem Marktstand gekauft hatte. Vermutlich stammte er aus der Nachbarschaft. Vermutlich hatte er absichtlich keinen Ausweis dabei gehabt, trotzdem würden sie ziemlich bald wissen, wer er war. Seine Mutter würde feststellen, dass ihr Sohn nicht in seinem Bett geschlafen hatte, und wenn dann die Gerüchte zu ihr drangen, dass irgendwo in einem Hinterhof ein toter Jugendlicher lag, würde sie Bescheid wissen. Wenn sie dann zu Quigleys Tür gelaufen kam, würde Lennon sich um sie kümmern.
Der Fotograf kam zurück in die Küche. Er brachte Lennon dieKamera und zeigte ihm den kleinen Bildschirm. »Sehen Sie mal!«, sagte er und scrollte die Bilder durch. »Hier.«
Das Bild zeigte, dass der Junge ein Messer in der Hand hatte. Sie lag halb unter seinem Körper verborgen, so dass man die Waffe selbst nicht sehen konnte.
»Der Mörder ist nicht weit gekommen«, sagte der Fotograf. »Sieht so aus, als wäre er ausgerutscht und übel gestürzt.«
»Vielleicht«, sagte Lennon. »Er liegt auf der linken Seite, aber sein Rücken und die rechte Seite sind auch ganz verschmutzt. Schauen Sie doch mal, wo der Kopf liegt. Der hat sich doch nicht das Genick gebrochen und danach noch auf die Seite gerollt.«
»Wer weiß schon, woher der Dreck stammt?«, sagte der Fotograf.
»Bevor wir irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehen, sollen sich das erst mal die Forensiker ansehen. Sehen Sie zu, dass möglichst bald hiervon Ausdrucke auf dem Schreibtisch von Detective Chief Inspector Gordon landen.«
»Wird gemacht«, sagte der Fotograf und verschwand in Richtung Wohnzimmer.
Lennon ging zur Hintertür und suchte mit den Augen den Hof ab. Jeden Fetzen Unrat und jede Pfütze betrachtete er. Der Beton war mit einem schaumigen grünen Algenflor bedeckt, auf dessen Oberfläche man mit Mühe noch ein Wirrwarr von Fußabdrücken erkennen konnte. Die konnten von jedem stammen, von der alten Frau oder ihrem toten Sohn, von dem Jungen oder dem Arzt,
Weitere Kostenlose Bücher