Blutige Küsse und schwarze Rosen
Die Fasern seines Körpers, die von Nico durchdrungen und elektrisiert worden waren, erinnerten ihn auch jetzt noch mit einem neckenden Wohlgefühl daran.
Fluchend schlug Elias die Hände vors Gesicht. Was hatte er da angerichtet! Wie hatte er das Nico antun können? Wie sollte er ihm je wieder gegenübertreten? Er hatte einfach begierig genommen, was der bereit gewesen war, ihm zu geben – als Freund. Weil er ganz genau gespürt hatte, wie sehr sich Elias nach seinen Berührungen sehnte. Andererseits hätte Nico sich denken müssen, wie das Ganze Elias ins Chaos stürzen würde. Er wusste um Elias’ Gefühle und hätte sich darüber im Klaren sein müssen!
Ein tonnenschwerer Brocken machte sich in seinem Magen breit, als er die Hände sinken ließ, nur um sich in der Gegenwart vorzufinden. Und in dieser hatte er durchaus noch weitere Probleme als bloß die Sache mit Nico. Schließlich hatten sich Elisabeth und Melchior in den vergangenen Stunden wohl kaum in Luft aufgelöst, genauso wenig wie ihre Pläne. Pläne, über die Elias nicht einmal mit seinem besten Freund reden konnte, ohne ihn damit womöglich direkt in die Arme der zwei Wahnsinnigen zu treiben und in Gefahr zu bringen. Es lag nun allein an ihm, mehr über das Vorhaben zu erfahren und sich dann etwas einfallen zu lassen, um das Schlimmste zu verhindern. Was auch immer das Schlimmste sein mochte.
Eine umherstreunende Katze lenkte Elias’ festgefahrenen Gedanken auf sich. Sie kauerte in den dicht wachsenden Sträuchern, die den Gehweg säumten, und machte Pirsch auf eine Maus. Das leise Piepsen konnte Elias genauso hören, wie das Rascheln der Blätter, die von dem Nagetier auf dessen Flucht gestreift wurden. Doch der ungleiche Kampf ums Überleben war längst entschieden, als die Katze zum Sprung ansetzte. Mühelos stießen ihre Pfoten sie vom Erdboden ab und das Tier schwebte elegant durch die Luft, landete geschmeidig auf der Beute – die Krallen tief in dessen Haut geschlagen.
Elias schluckte schwer. Der sich ihm bietende Anblick war atemberaubend und grotesk zugleich und erinnerte ihn daran, was er nun war: ein Raubtier. Ein Lebewesen, das ohne das Blut anderer nicht existieren konnte. So hatte die Natur es jedenfalls vorgesehen, als sie den Vampiren ihre Stärke, Schnelligkeit und den Blutdurst gab. So aber wollte Elias nicht leben. Das hatte er sich nie gewünscht. Bereits seine menschlichen Probleme hatten ihn vollkommen im Griff gehabt und nun war er nicht einmal mehr ein richtiger Mensch. Er war zu etwas geworden, das ihn zeit seines Lebens begeistert hatte. Ein Mythos. Und auch wenn Elias jetzt noch unter Menschen lebte, wer konnte schon wissen, wie lange das noch ging? Nico hatte erwähnt, Elisabeth und Melchior scheuten die Menschen. Würde es auch bei ihm darauf hinauslaufen, dass er sich mit der Zeit zurückzog? Brachte ein Vampirdasein diese Konsequenzen früher oder später mit sich?
Als seine Erinnerung an die Krypta wiederkehrte, sah Elias zu dem alten Friedhof und ihm wurde bewusst, dass er sich keinen weiteren Aufschub leisten konnte. Er würde so oder so noch in dieser Nacht dorthin zurück müssen. Er würde so oder so unvorbereitet sein, völlig egal, wie lange er sich vorab das Hirn zermarterte.
Eine beinahe schmerzhafte Anspannung breitete sich in seiner Magengrube aus, als er zögernd das Feld betrat, auf dem am kommenden Abend das Lichterfest eröffnen sollte. Seine Füße trugen ihn von dem Wohngebiet fort und über unzählige verlegte Stromkabel, die morgen die Karusselle bunt illuminieren würden. Da die Testläufe längst abgeschlossen waren, war weit und breit kein Mensch zu erblicken. Nur eine Vielzahl von dunklen Ungetümen ruhte vor Elias und wartete darauf, bald in prächtig beleuchteten Farbenkleidern zu erstrahlen. Inmitten dieser war es ein einzelnes Fahrgeschäft, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es handelte sich um ein Kettenkarussell, das seine Besucher zunächst in eine stattliche Höhe brachte und sich dann um die eigene Achse drehte.
Noch ganz genau erinnerte Elias sich daran, wie Nico und er bei ihrem ersten Lichterfest letztes Jahr fast eine halbe Stunde auf eben diesem Karussell verbracht hatten. Sie – oder auch nur er selbst – waren alles andere als nüchtern gewesen und die schnelle Rundfahrt hoch über dem Erdboden hatte sie beide in unterhaltsame Schwindelanfälle versetzt. Sie hatten gelacht und waren missbilligend angestarrt worden …
Ein tiefes Seufzen entfloh Elias, als er
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