Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
Vom Netzwerk:
anzuheben und seinem Freund in die Augen zu sehen. Er wollte nur schlafen …
    „Du musst wieder zu Kräften kommen.“ Nico drückte Elias sanft von sich, zurück gegen die harte, eisige Erde. „Ich hole dir Blut aus der Kirche. Warte, bin gleich zurück.“
    Als Nico aufstand und ging, fiel die Kälte unbarmherzig über Elias her. Er fröstelte und versuchte sich klein zu machen, um sich irgendwie aufzuwärmen. Unter enormer Anstrengung zog er Arme und Beine an sich heran, zuckte jedoch zusammen, als seine Hand etwas berührte, das neben ihm lag. Sofort erschien das Bild vor seinen Augen. Es zeigte Melchior, das Buch in der Hand … Das Buch, das nun so achtlos auf dem Boden lag.
    Zum ersten Mal seit Minuten öffnete Elias die Lider. Es kostete ihn unermessliche Kraft, die geradezu lächerlich für diesen Akt erschien.
    Und da ruhte es vor ihm.
    Mit aufgeschlagenen Seiten hatte der Wälzer einige der Kerzen, aus denen die sonnenähnlichen Strahlen geformt worden waren, unter sich begraben und ihre Flammen erstickt. Mühsam zog Elias es an sich heran und erkannte, dass dabei nicht wenige der Blätter durch Brandflecken und -löcher unleserlich geworden waren. Überall verstreut lag Asche. Viel Asche. Zu viel. Eine millimeterdicke Schicht bedeckte nicht nur den Einband des Buches, sondern ebenso den Boden des Friedhofes, die Gräber um Elias herum, sowie zahlreiche Teelichter, die unter dem grauen Schleier aufgehört hatten zu brennen.
    Elias streckte die Finger nach den Überresten aus, als Nicos Stimme hinter ihm ertönte.
    „Fass das nicht an!“, mahnte er und tauchte neben ihm auf, die Arme mit Flaschen voller Blut beladen. Er kniete sich zu Elias’ Rechten nieder und stellte die Beute aus der Kirche vor sich auf. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich.
    „Woher kommt die ganze Asche?“, wollte Elias mit einem Blick auf das Szenario vor ihnen wissen. Das Schreien hatte ihn heiser gemacht.
    „Das erkläre ich, wenn es dir besser geht. Trink.“
    Nico öffnete eine der Flaschen und hielt sie an seine Lippen. Seine Hand stützte Elias im Nacken und so begann er, einen tiefen Schluck nach dem anderen zu nehmen. Das Blut war kalt, was den falschen Geschmack verstärkte, doch es tat seine Dienste. Bereits als Elias die erste Flasche mit einem letzten Zug leerte, begann ein Surren durch seine Adern zu gehen, als würden tausend kleiner Bienen in ihren Gängen umherschwirren. Seine Haut fing zu beizen an und die Wunden brannten wie Feuer. Aber der Schmerz bedeutete auch Heilung. Elias spürte es. Das Nachtleben um ihn herum gewann wieder an Geräuschen, deren Verstummen er zuvor nicht einmal wahrgenommen hatte. Sein Blick wurde schärfer, der Kopf wacher, klarer. Er begann zu arbeiten. Zu verstehen.
    Elias’ innere Betäubung fiel von ihm ab und die Bilder der vergangenen Stunden kehrten lebhaft in seinen Geist zurück. Ein heftiger Stich fuhr durch seine Magengrube, als ihm eine Tatsache auffiel.
    „Sie sind weg!“ Keuchend vor Panik sah er sich um. „Wo …? Sie werden wiederkommen! Wir müssen verschwinden! In meinem Zustand haben wir keine Chance gegen …“ Elias ließ den Satz in der Luft hängen und schaute Nico an, der wie betäubt geradeaus auf die Aschedecke starrte. Er schien gar nicht zuzuhören. „Nico?“
    „Sie kommen nicht zurück.“
    Die Worte waren kaum ein Flüstern gewesen. Ihr Klang jagte Elias ein unheimliches Grauen über den Rücken. Und mehr noch ihre Bedeutung.

Kapitel 12
    F LUCH
     
    „Meinst du damit …?“
    „Es musste sein. Es ging nicht anders. Ich hatte keine Wahl … Sie hätten sonst … Es musste sein!“
    Nico fuhr sich mit der Rechten durch das weißblonde Haar. Sein Gesicht war völlig verzerrt vor Sorge, Wut und purer Verzweiflung. Er vergrub es in den Händen und begann auf den Knien vor und zurück zu wippen, während immer und immer wieder dieselben Worte seinen Mund verließen.
    Das Bild, das sich Elias darbot, jagte ihm Angst ein und ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. Unfähig, etwas zu sagen, wandte er den Blick von seinem Freund ab und ließ ihn über die Erde des Friedhofs schweifen. Es musste hier geschehen sein, aber weder Elisabeths noch Melchiors Körper waren zu sehen. Nur ihr Buch lag leblos in seinem Schoß und unzählige Teelichter vor ihm überall auf dem Erdboden verteilt. Bedeckt von der Asche.
    Geräuschvoll stieß Elias die Luft aus, warf das Buch von sich und rückte von dem grauen Aschemantel weg, wobei er hart gegen einen Grabstein

Weitere Kostenlose Bücher