Blutige Küsse und schwarze Rosen
aus. Wie ihr sicher wisst, hemmen fließende Gewässer einige Fähigkeiten der Vampire, wie beispielsweise die Anziehungskraft, die wir auf Menschen ausüben. Filanessia empfand es als eine Ironie und Genugtuung, sich hier niederzulassen: direkt unter einem Gewässer, wenn auch keinem fließenden. Sânge erfüllte ihr diesen Wunsch. Er hätte ohnehin fast alles für sie getan.“
Sie erreichten ein dicht von Bäumen bewachsenes Stück Land und traten unter das üppige Blätterdach, durch welches der klare Nachthimmel kaum noch auszumachen war.
„Weshalb hat Sânge sie dann verstoßen?“ Elias verstand nicht. Was hätte das Zirkeloberhaupt dazu bringen können, seine geliebte Schwester fortzuschicken?
„Es heißt, dass Filanessia eine sehr impulsive, aufbrausende Persönlichkeit ist“, erklärte Naferia. „Sie hielt sich noch weitaus weniger an Regeln, als ich es tue. Sie dachte nie an ihre Zukunft oder die des restlichen Nestes. Aus diesem Grund übernahm Sânge die Position des Anführers. Zum Wohle aller. Filanessia sollte zunächst die Kontrolle über sich selbst gewinnen, ehe er mit ihr gemeinsam an der Spitze regieren wollte. Sânges Schwester wollte das nicht akzeptieren und versuchte permanent, seine Autorität zu untergraben. Lange duldete Sânge ihr Verhalten, bis er erfuhr, dass sie Pläne schmiedete, die sie so mächtig werden lassen sollten, wie ihn.“ Naferia brach ab und schüttelte energisch und empört den Kopf. „Wo hätte das denn hinführen sollen? Und so traf Sânge die schwere Entscheidung und schickte Filanessia fort. Natürlich nicht auf ewig: Er gestattete ihr wiederzukommen, sobald sie bereit sei, sich ihm und seinen Gesetzen zu fügen. Einige Male wurde sie in der Nähe gesichtet, aber bis heute ist sie nicht zurückgekehrt.“ Leichtfüßig balancierte die Vampirin auf einem umgestoßenen Baumstamm entlang. Inmitten des nächtlichen, abgelegenen Waldes erschien dieser Anblick paradox, da Naferia in ihrem verdreckten Kleid und mit dem puppenhaften Gesicht wie ein verspieltes Mädchen aussah.
„Sie versteht offenbar nicht, dass Sânge uns beschützt, indem er die Rituale und Flüche im Verborgenen hält.“
Elias wurde hellhörig.
„Also stehen nur ihm die Rituale und Flüche zur Verfügung?“, fragte er und tauschte mit Nico einen schnellen Blick aus. „Was weißt du darüber?“
„Nicht viel.“ Naferia zuckte die Achseln. „Natürlich war ich besonders zu Beginn sehr neugierig und wollte vor allem mehr über den Energievampirismus erfahren. Immerhin begegnet man nicht gerade oft einem Vampir, der ohne Blut leben kann. Doch Sânge machte mir klar, wie gefährlich das entsprechende Ritual ist. Sollte man nur einen einzigen Fehler machen, würde man nicht nur weiterhin außerstande sein, Energie zu saugen, nein: Von dem Zeitpunkt an könne man nicht mal mehr Blut trinken. Jeder Tropfen verbrennt den Mund und somit auch dich von innen heraus. Durch Blut erschaffen, durch Blut genährt, durch Blut dem Tode geweiht – einem grausamen Tod.“ Sie erschauderte künstlich, musste dann aber lachen. „Wieso wird eigentlich jeder unserer Fehler damit bestraft, dass wir verbrennen? Mal in der Sonne, mal von innen …!“
Elias’ Anspannung stieg ins Unermessliche. Endlich kamen sie auf das richtige Thema zu sprechen.
„Und den Prozess kann man nicht ungeschehen machen?“, hakte er lauernd nach. „Den Fluch, der es einem unmöglich macht, unter die Sonne zu treten …?“
„Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass Macjuahns Fluch einem von euch aufgebürdet wurde. Nur muss ich sagen, dass ich euch da nicht weiterhelfen kann“, gestand Naferia. „Die wenigsten von uns sind damit belegt und nicht einmal jene, die es sind, haben an einer Aufhebung des Banns Interesse. Wir leben aus purer Überzeugung bei Nacht, da unsere Art bei Nacht erschaffen wurde und dies somit unser Tag ist.“ Nachdenklich musterte sie Elias und Nico und flüsterte so leise, als bestünde die Gefahr, belauscht zu werden: „Sollte es eine Möglichkeit geben, den Bann zu brechen, dann weiß nur Sânge, wie das geht. Mit seinem Wissen und den über Jahrhunderte gesammelten Schriften könnte er wahrscheinlich sogar den Tod höchstpersönlich überlisten. Es gibt kein mächtigeres Wesen auf Erden und keines, das sich mehr um seine Familie kümmert. Tretet uns bei und auch ihr werdet seine grenzenlose Güte genießen dürfen.“
Naferias Augen funkelten ehrfürchtig, als sie von Sânge sprach und Elias
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