Blutige Nacht
jetzt über Wasser gehalten, aber so langsam werden meine Junkiehände zittrig, und ich fange an zu schwitzen. Momentan nur ein bisschen, aber das wird noch schlimmer. Sehr viel schlimmer. Meine Finger haben bereits die durchsichtige, weiß gebleichte Farbe angenommen, die mit Bluthunger einhergeht. Bei Vampiren beginnt der Blutmangel in den Extremitäten und arbeitet sich dann Richtung Herz vor. Wie bei einer Kreuzigung. Wenn das Bedürfnis stärker wird, befällt ein heftiger Muskelkrampf nach und nach alle Glieder, den Oberkörper, die Brust, bis man irgendwann vor Höllenqualen nur noch wie eine zusammengeringelte tote Spinne auf dem Boden liegt und einen gleichgültigen Gott um Erlösung anfleht.
Ganz offensichtlich muss ich etwas tun, ehe mein alter Kumpel Tom hereinspaziert und mein Schicksal besiegelt, aber ich hätte es gern auf unblutigem, legalem Weg erledigt.
Wenn mir das gelingt.
»Wir wissen, dass Sie dort waren, Mick«, sagt Coombs und sitzt mir an der mit Brandmalen überzogenen Tischplatte gegenüber. Die eng verwandten Gerüche von Verzweiflung und Angst strömen wellenartig aus ihr heraus; Phantomgefühle, abgestreift von all denen, die sich hier vor mir gewunden haben. »Warum machen Sie es sich nicht einfach und packen alles aus?«
»Genau«, sagt Elliot, mit verschränkten Armen angelehnt unter der Kamera, die in einer Ecke des Raums montiert ist. »Nur weil Sie dort waren, heißt das noch lange nicht, dass sie es auch getan haben. Aber wenn Sie uns weiter anlügen, was sollen wir dann Ihrer Meinung nach von Ihnen halten?«
»Wir wollen Ihnen helfen, Mick«, sagt Coombs. »Lassen Sie uns Ihnen helfen.«
Ich stöhne innerlich. Das Einzige, was schlimmer ist als das Guter-Bulle-böser-Bulle -Spiel, ist das Guter-Bulle-guter-Bulle -Spiel.
»Okay«, sage ich. »Ich werde reden. Aber zuerst will ich einen Anruf tätigen.«
Coombs lächelt, als wolle er mein Kumpel sein, aber ich würde es ihm nicht einfach machen. »Warum warten wir damit nicht noch ein bisschen?«, sagt er.
»Wie wäre es stattdessen mit etwas zu trinken?«, sagt Elliot.
Sie lassen mich schließlich anrufen, als Ihnen klarwird, dass ich keinen Anwalt vor der Gegenüberstellung mehr hierherbekommen kann. Ein Blauuniformierter bringt mich zum fettigen Münztelefon im Gang, der so bleich und ausweglos ist, wie ich mich fühle. Da das Blut in ihnen fehlt, sind meine Finger noch tauber und nutzloser als gewöhnlich, und ich muss mich höllisch konzentrieren, um Reesas Handynummer einzutippen. Sie antwortet. Ich habe sie zwischen zwei Auftritten erwischt. Das ist das erste bisschen Glück in dieser ganzen Nacht.
»Hallo, Puppe«, sage ich.
»Mick, wo warst du? Ich habe versucht, dich anzurufen.«
Der Klang aufrichtiger Sorge in ihrer Stimme erinnert mich daran, wie lange es her ist, dass es jemanden gab, der sich wirklich um mich sorgte. Das ist schön. Richtig schön, wenn Sie es genau wissen wollen.
»Bin auf ein paar Schwierigkeiten mit dem Fall gestoßen. Eines der Mädchen, die ich befragt habe, ist jetzt tot.«
»Wer?«
»Eine Stripperin namens Dallas, bei der deine Schwester eine Zeitlang gewohnt hat, bevor sie wieder weitergezogen ist.«
»Und die Polizei geht davon aus, du hättest etwas damit zu tun?«
»Ich glaube, so könnte man das sagen.«
»Um Himmels willen. Das ist ja schrecklich.«
»Ja, es ist nicht gut«, stimme ich ihr zu.
»Warum glauben sie, du hättest etwas damit zu tun?«
»Es gibt keinen Grund, außer dem, dass sie mich mit dem Tatort in Verbindung bringen können.«
»Das ist alles? Und was ist mit einem Motiv?«
»Das ist denen völlig egal. Der Staatsanwalt kann später immer noch eines erfinden.«
»Aber du hast Callie nicht einmal gekannt. Warum also solltest du sie umbringen wollen?«
»Es gibt keinen Grund, aber erzähl das mal den Bullen. Sie haben einen Typen, der mich mit dem Tatort in Verbindung bringen kann, und sie haben eine Gegenüberstellung arrangiert, damit er das auch tun kann.«
»Wer?«
»Irgendein Versicherungsverkäufer, Tom irgendwas. Er sagt, ein Typ hat ihm in Dallas’ Haus, in der Nacht, in der sie ermordet wurde, die Nase gebrochen, und jetzt kommt er hierher, um herauszufinden, ob ich das war. Ich hatte gehofft, du würdest vielleicht einen Anwalt kennen – einen guten –, der möglichst schnell hierher kommen und mir aus der Patsche helfen könnte.«
»Klar. Ich rufe einen an«, sagt sie.
»Das weiß ich zu schätzen.«
Sie sagt mir, ich
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