Blutige Nacht
solle vorsichtig sein. Und ich solle zu ihr kommen, sobald ich draußen bin. Ich sage ihr, dass ich das tun würde, und lege auf.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich so blutleer bin oder weil mir so verdammt viel im Kopf herumschwirrt, aber erst, nachdem der Bulle mich wieder in meinen Pferch zurückgebracht hat, fällt mir auf, dass ich Reesa niemals Dallas’ richtigen Namen gesagt hatte.
Mit Handschellen an den Tisch gekettet sitze ich da und warte.
Die Zeit tickt wie eine Bombe.
Ich kann nur vermuten, dass man mir eine Falle gestellt hat, aber ich weiß nicht, warum. Ich versuche, gründlich über alles nachzudenken, aber ich komme auf keinen grünen Zweig. Mein Verlangen ist inzwischen so stark, dass ich nicht mehr normal denken kann. Die Krämpfe sind mittlerweile über die Gelenke der Arme und Beine weitergewandert. Mein schmerzender Kopf fühlt sich an, als wäre er voller Watte. Meine Gehirnzellen dürstet es viel zu sehr nach Blut, als dass sie etwas anderes tun könnten, als ein beständiges Besetztzeichen ertönen zu lassen. Ich weiß nur zwei Dinge. Erstens, ich bin von einer Frau hintergangen worden, die ich gernhabe. Zweitens, ich muss zusehen, dass ich hier rauskomme, und zwar schnell.
Ich hätte gar nicht erst hierherkommen sollen. Das hätte ich wirklich besser wissen müssen. Verdammt. Aber daran kann ich jetzt nichts ändern. Ich beschließe, die beste Gelegenheit abzuwarten. Vielleicht nach der Gegenüberstellung, während sie den ganzen Papierkram mit mir erledigen. Dann schnappe ich mir die Handschellen und nehme einen Polizisten als Geisel, ehe sie wissen, wie ihnen geschieht. Ich werde ihn mit mir mitziehen, ihn als Schutzschild auf meinem Weg nach draußen, vorbei an Barrieren, Pistolen und Wächtern benutzen. Mit etwas Glück bekomme ich keine Kugel in den Kopf oder die Wirbelsäule. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Das Problem dabei ist, dass sie hier Heimvorteil haben.
Da ich weiß, dass ich mit der Kamera überwacht werde, lege ich meinen schmerzenden Kopf auf den Tisch und versuche, nicht über das Blut oder den Verrat nachzudenken.
Es endet damit, dass ich über beides nachdenke.
Kapitel 19
1946
N achdem Brasher aus dem Weg geräumt war, haben Coraline und ich uns in seinem alten, zugigen Haus niedergelassen. Sie hatte bereits herausgefunden, wie sie sich das Geld auf seinen verschiedenen Bankkonten unter den Nagel reißen konnte. Also zogen wir ein, verprassten sein Geld und lebten, als müssten wir uns um nichts in der Welt Sorgen machen. Als hätte es nie einen Brasher gegeben, als hätte er mir nie gesagt, dass die Frau, die ich liebte, mich hintergehen würde.
Ich konnte seine Warnung zwar nicht vergessen, fand aber im Lauf der Zeit heraus, dass ich sie ausblenden konnte. Denn er hatte unrecht. Coraline und ich liebten einander. Vieles hatte sich verändert. Fast alles. Aber nicht das. Niemals das. Manche Dinge musste man einfach glauben.
Während wir den Mord geplant hatten, hatte Coraline das ganze Jagen für uns übernommen, damit ich nicht von der bevorstehenden Aufgabe abgelenkt war. Nachdem wir jedoch in das Haus gezogen waren, beschloss sie, es sei an der Zeit für mich, selbst zu jagen. Zuerst hielt ich sie etwas hin. Schon allein die Vorstellung, Menschen zu jagen, machte mich krank. Ich wollte kein Teil davon sein. Sie sah meine Abneigung als Schwäche. Wir zankten.
»Du bist bescheuert. Du bist nicht menschlich, du bist jetzt etwas Besseres. Ein Vampir. Es gibt keine Regeln mehr für uns.«
»Vielleicht sollte es das aber.«
»Red keinen Blödsinn. Wir sind an der Spitze der Nahrungskette. Menschen sind nur Essen zum Mitnehmen für uns.«
»Tja, dann sagt mir vielleicht einfach das Menü nicht zu.«
Coraline lächelte höhnisch. Das konnte sie schon immer ziemlich gut, und der Tod hatte nichts daran geändert. »Sei kein Heuchler. Du magst es. Du findest es einfach großartig, wenn ich das ganze Jagen übernehme und du dich nur zu nähren brauchst, ohne darüber nachdenken zu müssen, woher das Blut kommt.«
Mir wurde klar, dass sie recht hatte. Ich war ein Heuchler. Ich mochte es. Sehr sogar. Und nur weil der Metzger das Schwein schlachtete, bedeutete das letzten Endes nicht, dass man mit dessen Tod nichts zu tun hatte.
Sie wollte, dass ich mit ihr auf Jagd ging, und das tat ich schließlich auch. Wir fuhren zu einem Randbezirk der Stadt, wo kleine Bauprojekte mit billigen Reihenhäusern von den GIs aufgekauft wurden, die aus dem
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