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Blutige Rache

Titel: Blutige Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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bloß gestern eins über die Rübe gekriegt.«
    Er erzählte ihr davon, dramatisierte ein wenig, weil er sie so attraktiv fand.
    »War das der Typ, von dem Sie Dad erzählt haben? Der Indianer?«, wollte sie wissen.
    »Ja. Keine Ahnung, welche Rolle er in der Geschichte spielt. Jedenfalls hat er sich verdrückt, und ich werde ihn aufspüren.« Er nahm einen Schluck Limonade.
    »Warum tragen Sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck ›Hole‹?«
    »Das ist’ne Band. Kommen Sie, tanzen wir.«
    Sie tanzten Wange an Wange; sie war einfach perfekt, anschmiegsam wie ein Schatten. Und er selbst schlug sich ebenfalls nicht schlecht, fand er. Als ihre dunklen Augen zu glänzen begannen, merkte er, dass er wirklich Lust hatte, dieses Lachen auch in Zukunft zu sehen. Doch dieser Gedanke war ihm schon bei drei anderen Frauen gekommen.

    Während er eine weitere Runde Limonade und Bier an der Bar holte, sah er sie aufgeregt in ihr Handy sprechen. Sie steckte es weg, als er sich wieder zu ihr gesellte, und erklärte: »Eine Freundin in Madison. Sie hat den perfekten Partner für mich gefunden.«
    »Einen Tänzer?«
    »Nein, einen Psychiater.«
    Sie mussten beide lachen.
    »Das war übrigens ihr Ernst.«
    Anschließend fragte sie ihn über Ermittlungen bei Morden aus, wie er vorging, warum er sich darauf spezialisiert hatte. Und es interessierte sie, ob Polizisten Informationen immer noch aus Menschen herausprügelten.
    »Ich würde das nicht machen«, antwortete er. »Das ist Folter, und Folter halte ich für unmoralisch.«
    »Die CIA scheint das nicht zu finden.«
    »Irrtum.« Er drohte ihr spielerisch mit dem Finger. »Manche CIA-Leute halten sie durchaus auch für unmoralisch.«
    »Und wie steht’s mit Terroristen?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Soll man Menschen foltern, weil man vermutet, dass sie etwas im Schilde führen? Irgendjemand plant immer irgendwas. Und was ist mit Leuten, die man verdächtigt, kleine Kinder umzubringen? Foltert man die dieses Verdachts wegen? Wo endet das? Inwieweit muss der Verdacht begründet sein? Und was ist mit Folter nach der Tat? Weshalb? Aus Rache? Meiner Ansicht nach ist das kein zivilisiertes Vorgehen.«
    »Wie denken Sie über die Todesstrafe?«
    »An die glaube ich nicht.«
    »Sie sind ein merkwürdiger Cop.«
    »Würde ich nicht so sehen. Viele Cops glauben nicht daran, und auch nicht an Folter. Das Problem ist weniger, was
sie mit den Opfern anstellt, sondern mit den Folterknechten. Sie macht sie zu Tieren.«
    »Aber Sie haben letztes Jahr selber jemanden getötet …«
    »Weil er mich umbringen wollte. An Notwehr glaube ich schon«, erklärte Virgil. »Folter und kaltblütige Hinrichtungen hingegen sind Sünde.«
    Allmählich begannen die Musik und die Lichter ihn schwindlig zu machen. Sie legte die Hand auf seine Brust und fragte: »Alles in Ordnung?«
    »Ich krieg wieder Kopfweh. Das liegt am Licht.«
    »Wir können auch ein andermal tanzen. Bringen Sie mich heim, und gönnen Sie sich ein bisschen Ruhe. Oder die Mai-Sinclair-Schnellkur gegen Gehirnerschütterungen.«
    »Wie sieht die aus?«
    »Das kann man nicht erklären, nur zeigen.«
     
    An der Tür zu ihrer Wohnung legte sie einen Finger an die Lippen und flüsterte: »Leise - wenn er aufwacht, schläft er so schnell nicht wieder ein.« Sie schlichen durchs Wohnzimmer zum Terrassenwintergarten, wo Sinclair gern arbeitete. Unterwegs nahm Mai ein Kissen vom Sofa.
    Im Wintergarten lag ein ungefähr zwei Meter langer Orientläufer hinter Sinclairs Schreibtischstuhl. Mai schloss die Tür und sagte: »Legen Sie sich auf den Teppich, die Arme ausgestreckt über dem Kopf, so dass die Finger sich berühren, die Stirn auf dem Kissen, damit Ihre Wirbelsäule ganz gerade ist.«
    Als Virgil so auf dem Boden lag, setzte sie sich auf seinen Rücken, tastete seinen Nacken ab und drückte auf einen Punkt. Der Schmerz durchzuckte ihn wie ein Stromstoß, und er stieß unwillkürlich einen Schrei aus.
    »Pst«, flüsterte sie. »Entspannen Sie sich. Ich werd das noch
mal machen, aber dann tut’s nicht mehr so weh wie jetzt. Ihre Nackenmuskulatur ist völlig verhärtet - das behindert den Blutkreislauf. Also: entspannen …« Ihre Stimme lullte ihn ein, und als er es schon nicht mehr erwartete, drückte sie erneut auf den Punkt, und es schmerzte genauso wie beim ersten Mal.
    »Ganz ruhig … das war das letzte Mal. Jetzt widme ich mich den Muskeln.« Wieder tat es weh, aber irgendwann ließ der Schmerz nach und machte Wärme Platz, und er döste ein.

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